Endless Winter im Test: Eiszeitlicher Überlebenskampf im Brettspiel

Frosted Games veröffentlicht pünktlich zur SPIEL 2022 seine große Herbstneuheit Endless Winter. Wir haben dem Spiel auf den Zahn gefühlt.
Wenn man enthusiastischen Brettspielfreunden in ihren Diskussionsrunden zuhört, fallen für Außenstehende häufig doch recht seltsame Begriffe. Da ist von Deck Building die Rede oder von Set Collection, während sich andere wiederum über Worker Placement, Engine Building oder Area Control austauschen. Da kann man als Spieleneuling schon mal schnell den Überblick verlieren. Bei all diesen Begrifflichkeiten handelt es sich um Mechaniken, die häufig in Brettspielen eingesetzt werden. Viele Autoren greifen auf diese bewährten Konzepte zurück, ändern diese immer wieder leicht ab, um so im Optimalfall ein neues Spielgefühl zu erzeugen. So geschehen auch bei Endless Winter, der Herbstneuheit von Frosted Games. Dennoch, irgendetwas ist diesmal anders. Während sich die meisten Brettspiele mit der Verquickung ein paar weniger Mechaniken begnügen, greift Endless Winter in die Vollen. Die Liste der verwendeten Standards ist… endless. Ein Eldorado für Brettspielfans? Oder am Ende doch einfach zu viel des Guten? Wir haben dem Spiel auf den Zahn gefühlt.
Wilder Mechanik-Mix bei Endless Winter
Wird Endless Winter zum ersten Mal auf dem Spieltisch ausgebreitet, lässt sich bereits erahnen, dass eine große Aufgabe vor euch liegt. Das Spiel besticht mit einer tollen Tischpräsenz und entführt euch zumindest schon einmal optisch ziemlich eindrucksvoll in eine rund eintausend Jahre alte Eiszeit-Welt. Ihr übernehmt die Rolle eines Stammesführers, der sein Volk möglichst sicher und komfortabel durch die nächsten Jahre geleiten soll. Für diese Aufgabe stehen euch – ihr könnt es euch sicher schon denken – zahlreiche Optionen zur Verfügung.

Eine zentrale Rolle nehmen dabei die Stammesmitglieder sowie der Häuptling selbst ein. Diese lassen sich in die Wildnis hinaussenden, um dort verschiedene Arbeiten auszuführen. Regelmäßig zum Einsatz kommen weiterhin verschiedene Karten. Sie stellen die Fähigkeiten eures Volkes dar sowie deren Erfindungsreichtum. Nebenbei geht ihr natürlich noch auf die Jagd nach tierischer Beute, indem ihr ganze Sätze an Tierkarten sammelt, die euch am Spielende Zusatzpunkte einbringen. Ebenso solltet ihr die Ausbreitung eures Stammes im Jagdgebiet nicht vernachlässigen. Wer seine Lager und Siedlungen nicht rechtzeitig ausbaut, kann bei Endless Winter schnell ins Hintertreffen geraten. Bei so vielen Aufgaben kann es dem Eiszeit-Stammesführer schon einmal schnell schwindelig werden. Also… alles in Ruhe der Reihe nach.
Names des Spiels | Endless Winters |
Spielerzahl | 1-4 Personen |
Altersempfehlung | ab 12 Jahren |
Spieldauer | 60-120 Minuten |
Autor | Stan Kordonskiy |
Verlag | Frosted Games/Pegasus Spiele |
Preis | ca. 80€ |
Überleben in der Eiszeit mit Endless Winter
Keine Sorge, das Spiel nimmt euch mit einem klaren Ablauf bei der Hand und führt euch mit gutem Regelwerk sicher durch die Partie. Deshalb wurden die Züge in verschiedene Phasen unterteilt, die ihr geordnet nacheinander abhandelt. Zunächst dürft ihr eure Handkarten einsetzen, indem sogenannte Fortschrittskarten ausgespielt werden. Mit ihrer Hilfe führt ihr bereits erste Aktionen durch. Auf diese Weise setzt ihr etwa Nahrungsvorräte ein, um damit neue Lager zu errichten oder diese durch die Wildnis zu bewegen. Die Aktionsmöglichkeiten, die euch die Fortschrittkarten einbringen, sind ebenso mächtig wie vielseitig. Leider dürft ihr zunächst erstmal nur eine dieser Karten einsetzen. Das Spielen weiterer Karten in einer Runde muss teuer erkauft werden. Jeder weitere Karteneinsatz muss mit dem Ablegen einer weiteren Karte bezahlt werden.

Anschließend dürft ihr euch intensiv mit der Worker-Placement-Mechanik von Endless Winter befassen. Drei Figuren stehen euch hier zur Verfügung, die in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden dürfen, um euch einen Vorteil zu verschaffen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Worker-Placement-Spielen stehen die Einsatzorte allen Arbeitern offen. Liegt auf dem gewünschten Feld bereits eine Spielfigur, dürft ihr eure eigene problemlos dazustellen. Einen gewissen Früher-Vogel-Effekt gibt es aber schon. Platziert ihr eure Spielfigur zuerst auf einem Feld, winkt euch ein kleiner Bonus.
Lasst euren Stamm in Endless Winter wachsen und gedeihen
Einzig mit der Kraft des eingesetzten Arbeiters werdet ihr in Endless Winter allerdings nicht sonderlich weit kommen. Richtig in Fahrt kommt euer Stamm erst, wenn ihr diesem die nötige Arbeitskraft an die Seite stellen könnt. Diese kommt wiederum in Form von Stammesmitglieder-Karten ins Spiel. Sie erzeugen für euch eine gewisse Menge an Arbeitskraft, die jetzt für euch Vorteile herausspielen können. Dies können wiederum neue und vor allem effektivere Stammesmitglieder sein, aber auch zusätzliche Fortschrittskarten, neue Lagerstätten oder die Aneignung von Tieren aus dem Jagdgebiet.

Diese Vorteile helfen euch dabei, in späteren Zügen noch effektiver agieren zu können. Auf diese Weise wird euer Stamm zu einer gut geölten Maschine, die im Spielverlauf immer mehr aus den gegebenen Möglichkeiten herausholt. Bei allem Streben nach Fortschritt solltet ihr die eigenen Ressourcen jedoch nicht aus den Augen verlieren. Nahrung oder Werkzeuge werden nicht selten benötigt, um bestimmte Aktionen überhaupt durchführen zu können. Ohne gutes Ressourcenmanagement helfen euch die eingesetzten Arbeiter nicht sonderlich weiter.
Sonnenfinsternis läutet bei Endless Winter eine neue Ära ein
Eine besondere Einsatzmöglichkeit für die Arbeiter stellt das Ruhefeld auf dem Spielplan dar. Die Kraft der Spielfigur wird zunächst in den Ruhezustand versetzt. Diese wird erst am Ende der Aktionsphase zur Geltung gebracht, wenn die Sonnenfinsternis über das Land hereinbricht. Bevor die Sonnenfinsternis abgehandelt wird, dürft ihr nochmals eure Handkarten verwenden, indem ihr Fortschritte oder Stammesmitglieder in einen separaten Stapel spielt. Auf diese Weise wird weitere Arbeitskraft generiert, mit der nun die Spielerreihenfolge für die kommende Runde erstellt wird.

Habt ihr während der Sonnenfinsternis die meiste Arbeitskraft erzeugt, beginnt ihr die neue Runde von der Startspielerposition aus und erhaltet außerdem den wertvollsten Bonus. Jetzt seid ihr auch schon fast bereit für die nächste Spielrunde. Vorher wird noch diverses Einkommen verteilt, falls ihr eure Lager taktisch geschickt auf dem Spielplan platzieren konntet und so Mehrheiten in einzelnen Regionen geschaffen habt. Abschließend erhaltet ihr fünf weitere Karten, mit denen ihr für kommende Aufgaben hoffentlich gut gerüstet seid.
Endless Winter stellt hohe Anforderungen an die Stammesführer
Ihr beginnt nun hoffentlich mit bereits deutlich besseren Voraussetzungen als in der letzten Runde. Neue Karten wurden hinzugewonnen, weniger effektives Material dafür möglicherweise schon etwas ausgesiebt. Außerdem schaltet ihr durch das Entfernen von nahezu allen Gegenständen auf dem persönlichen Tableau neue Boni frei. Ein Lager wandert vom Tableau ins Spiel? In diesem Fall werden die Lagerräume für Nahrungsmittel sofort erweitert. Ein Arbeiter entwickelt einen Heiligen Stein? Auch dieser schüttet sofort diverse Belohnungen an den eigenen Stamm aus. Nahezu überall lassen sich kleine Goodies kassieren, die euren Spielfortschritt vorantreiben.

Regelmäßig taucht als Bonus das Symbol der Götzenfigur auf. Diese lässt einen von insgesamt zwei Götzenmarkern auf einer separaten Tafel voranschreiten. Die Funktionsweise der Götzentafel steht sinnbildlich für den gesamten Spielablauf. Über den Fortschritt auf den Leisten schaltet ihr natürlich weitere Boni frei, dürft etwa neue Stammesmitglieder rekrutieren oder weniger leistungsstarke Karten aussortieren. Sogar letztere können euch am Spielende noch viele Extrapunkte einbringen, vor allem wenn ihr im rechten Bereich der Götzentafel die Pole Position einnehmt. Je besser euer Rang in diesem Sektor ausfällt, desto mehr Siegpunkte erhaltet ihr am Ende der Partie für jedes aus dem Deck entfernte Stammesmitglied. Ein ähnlicher Effekt stellt sich auch in der linken Leiste der Götzentafel ein. Erreicht ihr dort bestimmte Etappen, dürft ihr euch am Spielende über besonders viele Punkte für verbleibende Ressourcen freuen.
Endless Winter mit Punktesalat am Spielende
Nach vier Runden endet die Partie und ihr wertet aus, wer seinen Stamm am besten durch die Eiszeit geführt hat. Als Maßstab dienen euch, wie so häufig in Brettspielen, die gesammelten Siegpunkte. In der Auswertung werden nun die Punkte addiert, die ihr in unterschiedlichen Bereichen des Spiels gesammelt habt. Wie bereits erwähnt, bringen euch restliche Nahrungsmittel und Werkzeuge zusätzliche Punkte – abhängig von der Position eurer Marker auf der Götzentafel – ein. Nach dem gleichen Prinzip werden Punkte für die aus eurem Deck entfernten Karten vergeben. Weitere Siegpunkte bringen euch bestimmte Stammesmitglieder und Fortschrittskarten ein, die im Spielverlauf Teil eures Decks geworden sind. Einen weiteren dicken Batzen Punkte sind die Tierkarten wert, die ihr aus dem Jagdgebiet gesammelt habt. Liebevoll gezüchtete Kollektionen einzelner Tierarten bringen euch besonders viele Punkte ein.

Habt ihr sämtliche Punkte zusammengezählt, kann jetzt der Sieger der Partie gekürt werden. Bis es soweit ist, sollten etwa sechzig bis einhundertzwanzig Minuten vergangen sein. Endless Winter ist für ein bis vier Personen ab zwölf Jahren geeignet. Das Spiel steht ab sofort zum Preis von rund 80€ im Handel.
Fazit: Endless Winter verquickt zahlreiche Brettspiel-Mechaniken auf clevere Art und Weise. Damit heimst das Spiel diese eiskalte ingame-Testwertung ein.

Endless Winter ist wirklich ein ganz schöner Brecher, allerdings vielleicht dann doch nicht ganz so komplex wie man zunächst vermuten würde. Klar, die Liste der eingesetzten Mechaniken ist beeindruckend lang. Doch das Gefühl, der Autor hätte sie mit der Brechstange in den Spielablauf gehämmert, entsteht zu keiner Zeit. Trotzt aller Mechanikvielfalt wirkt Endless Winter organisch. Spätestens die zweite Partie spielt sich wie aus einem Guss und es entsteht eine angenehme und vor allem sehr motivierende Dynamik am Spieltisch. Richtig schlechte Aktionen gibt es bei Endless Winter im Grunde nicht. In jedem Zug könnt ihr die Möglichkeiten eures Stammes erweitern und für kommende Aufgaben rüsten. Praktisch an allen Ecken und Enden im Spiel lassen sich kleine Boni kassieren, die dem Stamm das Überleben vereinfachen. Durch das ständige Ansprechen des Belohnungssystems hält Endless Winter die Spielmotivation dauerhaft auf einem hohen Level. Die Herbstneuheit von Frosted Games eröffnet euch viele Möglichkeiten, setzt euch gleichermaßen jedoch auch Grenzen. Es ist unmöglich, alle eiszeitlichen Baustellen gleichzeitig zu bespielen. Letztlich wird die passende Gewichtung der Punktelieferanten den Ausschlag für den Spielsieg geben. Motivationsfördernd wirkt sich natürlich auch das wirklich tolle Spielmaterial von Endless Winter aus. Mit seinen zahlreichen Holzmarkern, der stattlichen Kartenanzahl, dem modularen Spielbrett und den schönen Miniaturen besticht das Spiel mit einer tollen Tischpräsenz. Alles rosarot also bei Endless Winter? Viel falsch macht das Spiel tatsächlich nicht, doch viele Risiken geht es nun eben auch nicht ein. Endless Winter erfindet das Rad sicherlich nicht neu. Die angewendeten Spielkonzepte haben wir in dieser Form oder zumindest sehr ähnlich schon häufig auf dem Tisch vorgefunden, auch wenn Endless Winter sie in einer sehr angenehmen Art und Weise vereint. Wen das nicht weiter stört, darf sich auf ein packendes Strategiespiel mit vielen Möglichkeiten freuen, in dem viele Stunden Spielspaß stecken.
Pro | Con |
---|---|
+ packender Mix etlicher Brettspiel-Mechaniken | - macht nichts wirklich neu |
+ gutes Regelwerk | |
+ tolles Spielmaterial | |
+ hochwertiges Inlay | |
+ motivierender und belohnender Spielablauf | |
+ mit Solo-Modus |