Imperium Klassik/Imperium Legenden im Test: Das Zivilisationsspiel auf Kartenbasis

Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne stehen die deutschen Versionen von Imperium Klassik und Imperium Legenden nun im Handel.
Komplexe Globalstrategie findet sich nicht nur im Computer-, sondern immer häufig auch im Brettspielformat wieder. Analoge Zivilisationsspiele sind voll im Trend und wir als Spieler können uns über einen Mangel an Nachschub kaum beklagen. Gerne wird dabei zu fetten Paketen wie Clash of Cultures oder Twilight Imperium gegriffen, die einer wahren Materialschlacht gleichen und preislich die dreistellige Euro-Marke locker durchbrechen. Doch es geht auch anders. Imperium von Giant Roc lässt euch die Geschichte diverser Völker aus der Zeit von 3100 v. Chr. bis 1066 n. Chr. nacherzählen. Statt kostspieliger Miniaturen kommen bei Imperium fast ausschließlich Spielkarten zum Einsatz. So ist es dem Verlag möglich, ein umfangreiches Zivilisationsspiel zum schmalen Preis von rund 35€ anzubieten. Klingt nach einem guten Deal? Wir haben Imperium auf die Probe gestellt.
Imperium: Klassik und Imperium: Legenden
Giant Roc hat sich entschieden, Imperium gleich in zwei unterschiedlichen Editionen zu veröffentlichen. Die Regeln beider Sets sind weitgehend identisch, der Unterschied liegt in der Verfügbarkeit der ausgewählten Völker. Während sich die Klassik-Ausgabe auf Reiche konzentriert, die in den Geschichtsbüchern eine wichtige Rolle gespielt haben, zielt Legenden auf Völker mythischer Sagen ab. Sowohl Klassik als auch Legenden sind unabhängig voneinander spielbar, sie lassen sich zudem allerdings problemlos miteinander kombinieren.

Jedem Paket liegen acht Völker und Reiche bei, die durch ein Deck aus jeweils dreißig individuellen Karten dargestellt werden. Hinzu kommen noch gut achtzig allgemeine Karten. Diese werden im weiteren Spielverlauf in eure eigenen Kartenstapel wandern, euer Volk verstärken und die eingeschlagene Strategie untermauern. So baut ihr eure Macht sukzessive aus und macht aus einem Stamm unzivilisierter Barbaren das großartigste Imperium aller Zeiten.
- für 1-4 Personen ab 14 Jahren geeignet
- Spieldauer: 60-120 Minuten
- Autoren: Nigel Buckle, David Turczi
- Verlag: Giant Roc
- Preis: je ca. 35€
Ein Einstieg mit Hürden bei Imperium
Überraschend überschaubar fällt bei Imperium nicht nur das Spielmaterial aus, sondern auch das Regelwerk. Die paar Seiten, die es zum Einstieg braucht, sind in wenigen Minuten überflogen. Gut gerüstet für die erste Partie fühlt man sich nach der Lektüre allerdings noch nicht so wirklich. Das liegt vor allem daran, dass sich die einzelnen Völker stark unterschiedlich spielen und viele Details erst im Nachhinein über das Glossar geklärt werden. Dadurch fällt der Einstieg in die Welt von Imperium nicht gerade leicht. Wer in den Genuss dieses komplexen Strategiespiels kommen möchte, muss also zunächst einmal etwas ins Blaue hineinspielen.

Dazu führt ihr in der Regel drei Aktionen in eurem Zug durch. Diese nutzt ihr, um neue Karten für das Deck zu erwerben, Ressourcen zu ergattern oder natürlich um Karten auszuspielen. Einige Karten wirken einmalige Effekte, andere wie etwa Städte oder Gebiete bleiben euch dauerhaft erhalten und landen in eurem Spielbereich. Auf diese Weise sammelt ihr neue Fertigkeiten und Siegpunkte. Soweit, so bekannt. Doch Imperium bietet mehr als den üblichen Deckbuilding-Standard und kommt mit ein paar ganz besonderen Kniffen daher.
Imperium mit Innovationsmotor
Wer in seinem Zug auf die drei Aktionen verzichtet, darf sich gezielt Karten aus einem vielfältigen Markt zulegen und sich für den weiteren Spielverlauf sichern. Es ist allerdings nicht sinnvoll, den eigenen Kartenstapel mit ständig neuen Karten aufzublähen. Schließlich möchte man ziemlich schnell an die wirklich mächtigen Karten im Stapel gelangen. Daher empfiehlt es sich, das Deck zwischenzeitlich immer wieder ein wenig auszudünnen. Es gibt Karten im Spiel, die dem Ausbau des Reichs ziemlich hinderlich sind.

In die Decks haben sich zahlreiche Unruhe-Karten gemogelt. Sie haben negative Effekte und können sich auch am Spielende negativ auswirken. Wendet ihr einen gesamten Spielzug für die Schaffung des Friedens auf, lassen sich sämtliche Unruhe-Karten von der Hand entsorgen. So kann es unter Umständen gar eine gute Strategie sein, eine hohe Zahl dieser Karten auf der Hand zu horten, um diese dann mit einem Schlag zu eliminieren.
Führt das Imperium vom Barbarenstamm in eine neue Ära
Durch das ständige Aufnehmen und Ablegen der Karten verändert sich das Spielgeschehen ständig. Einen Meilenstein erreicht das Volk dabei immer, wenn der Nachziehstapel komplett aufgebraucht wurde. Als kleine Belohnung erhaltet ihr eine neue Karte vom Volksstapel, die ab sofort euer Deck verstärkt. Doch eigentlich seid ihr bestrebt, eben diesen Volksstapel vollständig in den laufenden Betrieb zu integrieren. Habt ihr diese Hürde genommen, wird aus dem anfänglichen Stamm wilder Barbaren ein blühendes und modernes Imperium.

Und dieser Schritt verändert in Imperium so ziemlich alles, denn plötzlich stehen euch ganz andere Optionen zur Verfügung. Ein Teil des Kartensatzes – die Barbarenkarten – lassen sich jetzt in der Regel überhaupt nicht mehr ausspielen. Doch das Regieren eines Imperiums hat natürlich auch viele Vorteile. Denn ab sofort dürfen die mächtigen Imperium-Karten verwendet werden. Wird jetzt der Nachziehstapel durchgespielt, dürft ihr enorm starke Karten aus dem Entwicklungsstapel erwerben. Sie bedeuten nicht selten einen echten Quantensprung im Vergleich zum sonstigen Kartenmaterial.
Vielseitiges Imperium
In dieser zweiten Phase des Spiels gerät Imperium nochmal in ein ganz anderes Fahrwasser, bevor es auf die Zielgerade einbiegt. Enden kann die Partie auf mehrere Arten, je nachdem welcher Kartenstapel aufgebraucht wurde. Im Regelfall werden am Spielende alle Siegpunkte auf den gesammelten Karten addiert, um den Sieger zu ermitteln. Wird im Verlauf allerdings der Aufstandsstapel geleert, kommt es zum Zusammenbruch. Jetzt geht es einzig und allein um die Zahl Unruhe-Karten im Deck. Das Volk mit der geringsten Unruhe im Reich gewinnt das Spiel.

Bis dahin ist es allerdings ein durchaus langer Weg. Je nach Zahl der Mitspieler kann eine Partie schnell mal die Marke von zwei Stunden knacken. Wie sich die Zeit bis dahin gestaltet, hängt im Wesentlichen von der gewählten Zivilisation ab. Wenn ihr sowohl im Besitz von Klassik als auch von Legenden seid, dürft ihr auf sechzehn unterschiedliche Völker zurückgreifen. Die Unterschiede sind nicht nur optischer oder marginaler Natur, sondern verändern den Ablauf des Spiels vollkommen.
Hohe Langzeitmotivation bei Imperium
Es gibt Völker wie etwa die Griechen, die ihren Barbaren-Status relativ schnell ablegen, um das Imperium aufzurufen. Dafür müssen sie sich durch einen vergleichsweise großen Entwicklungsstapel spielen, so wird ihr Spiel in der zweiten Phase deutlich langsamer. Ganz anders wiederum die Skythen, die mit ihren starken Reitern schon sehr früh große Gebiete erobern und für ordentlich Dynamik am Spieltisch sorgen. Damit ihr euch nicht direkt in den ersten Partien mit den ganz komplexen Völkern abplagen müsst, wurde jedes Kartendeck mit einem Schwierigkeitsgrad zwischen einem und fünf Sternen im Handbuch versehen.

Doch egal für welches Volk ihr euch letztlich entscheidet, dürft ihr euch über die liebevolle thematische Einbindung der Geschichte freuen. Die Maurya agieren sehr aggressiv und setzen dabei auf ihre mächtigen Indischen Elefanten, während die Atlanter bereits ziemlich zivilisiert starten, dafür aber immer mit der drohenden Flut zu kämpfen haben. Die Römer setzen hingegen natürlich auf eine rasche Expansion und breiten sich extrem schnell aus, indem sie etwa den Rammbock nutzen, um andere Völker damit anzugreifen.
Diese extreme Vielseitigkeit ist die größte Stärke von Imperium Klassik und Legenden. Es wird etliche Stunden dauern bis ihr jedes Volk zumindest einmal ausprobiert habt. Doch gerade die komplexen Kartendecks erfordern auf jeden Fall ein wenig Einarbeitungszeit. Wer sich auf das Experiment „Imperium“ einlässt, wird so mit einer hohen Langzeitmotivation belohnt. Imperium ist für ein bis vier Spieler ab vierzehn Jahren geeignet. Preislich müsst ihr je Set mit rund 35€ rechnen.
Fazit: Imperium Legenden und Imperium Klassik sahnen dank ihrer Vielseitigkeit diese ingame-Testwertung ab

Das Spielen mit Imperium Klassik und Imperium Legenden gleicht einer Achterbahnfahrt. Zunächst habe ich mich riesig auf den Titel gefreut. Ein Zivilisationsspiel mit sechzehn variantenreichen Völkern? Immer nur her damit! Doch dann trat zunächst die Ernüchterung ein. Die erste Partie verlief zäh… sehr zäh. Ich hatte keinen Plan, wie ich mein Volk effektiv nach vorne bringen konnte und sämtliche Aktionen fühlten sich doch arg mechanisch an. Hier ein Kärtchen unterschieben, dort ein paar Rohstoffe ernten… oh eine neue Karte? Mal sehen was ich damit anstellen kann… Und am Ende? Am Ende hat irgendjemand gewonnen, ohne so recht zu wissen warum. Der Erstkontakt lieferte viele gute Gründe, das Spiel nie wieder anzufassen zu wollen. Hartnäckige Brettspieler bleiben am Ball und werden sich schon bald an der großen Spieltiefe von Imperium erfreuen. Vor allem die innovative Spielmechanik hat es mir angetan. Mit dem Wechsel vom einfachen Barbarenstamm zum Imperium tritt das Spiel in eine zweite aufregende Phase ein. Bewährte Taktiken müssen über den Haufen geworfen werden, neue noch mächtigere Kombos treten an ihre Stelle. Doch nur wer sich effektiv auf das neue Zeitalter vorbereitet hat, wird die volle Kraft seines Volks am Ende entfalten können. Bei aller Wertschätzung für Imperium muss auf der Achterbahnfahrt noch ein Kritikpunkt hinterhergeschoben werden. Gerade im Vier-Personen-Spiel zieht sich eine Partie ordentlich in die Länge. Ausufernde Wartezeiten sind hier kaum zu vermeiden. Vielleicht probiert ihr stattdessen lieber auch mal den Solo-Modus aus. Dieser spielt sich vergleichsweise knackig-kurz und bietet gleichzeitig alle Vorzüge des Mehrpersonenspiels. Damit endet der Imperium-Rollercoaster-Ride nun doch noch auf einer positiven Note.
Pro | Con |
---|---|
+ innovative Spielmechanik | - Einstieg mit Hürden |
+ 8 (bzw. 16) unterschiedliche Völker | - lange Wartezeiten im Spiel mit 3 oder vier Personen |
+ hohe Langzeitmotivation | |
+ immer wieder ein neues Spielerlebnis | |
+ guter Solo-Modus | |
+ Völker thematisch stimmig umgesetzt |