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Merchants Cove im Test: Das asymmetrische Handelsspiel

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Von: Sebastian Hamers

Die Pegasus-Herbstneuheit Merchants Cove ist ein ganz schön dickes Paket und verspricht Unterhaltung auf vielfältige Art und Weise.

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Merchants Cove erscheint über Pegasus Spiele und kostet rund 70€. © Pegasus Spiele

Wenn Spielerinnen und Spieler mit verschiedenen Bedingungen in eine Brettspiel-Partie starten, dann gehört das heutzutage schon fast zum guten Ton. Es macht doch einfach viel mehr Freude, mit den Vor- und Nachteilen diverser Fraktionen zu experimentieren und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Merchants Cove von Pegasus Spiele möchte die ganze Angelegenheit jedoch auf die Spitze treiben. In diesem Handelsspiel werden nicht nur ein paar Startressourcen verändert oder ein paar Spezialfähigkeiten verteilt, sondern gleich (fast) das gesamte Spielkonzept auf den Kopf gestellt. Die Wahl, ob ihr bei Merchants Cove als Alchemistin, Kapitänin, Schmied oder Zeitreisender antretet, wird erheblichen Einfluss auf euer Spielgefühl nehmen.

Wilder Mechanik-Mix bei Merchants Cove

Wenn Merchants Cove zum ersten Mal auf dem Spieltisch landet, fühlt man sich zunächst ein wenig erschlagen. Das Ding ist echt riesig und bringt ein stattliches Gewicht auf die Waage. Keine Frage, der Inhalt kann sich sehen lassen. Gedaddelt wird mit verschiedensten Gimmicks: Karten, Würfel, Drehräder, Murmeln und einiges mehr gehören zu den Elementen, mit denen ihr euch im Spielverlauf beschäftigen werdet. Hinzu kommen dann auch gleich noch fünf Anleitungen: ein etwas dickeres Basisregelwerk und vier Faltblätter, die einen Überblick über die vier inkludierten Handelspartner geben sollen.

Merchants Cove Boote Bucht Markt Spielbrett
Merchants Cove hat nicht nur optisch einiges zu bieten, sondern besticht auch durch die schicken 3D-Modelle der Boote © Pegasus Spiele

Die Rahmendaten lassen vermuten, dass es sich bei Merchants Cove um einen komplexen Titel für erfahrene Brettspieler handelt. Doch um es gleich vorwegzunehmen: genau das ist die Pegasus-Herbstneuheit eben nicht. Die Grundregeln sind schnell draufgeschaufelt und jeder Händler verfügt zwar über eine separate Aktionsübersicht, doch sind diese eben nicht gerade sonderlich komplex. Es ist also eher die Melange der Mechaniken, die Merchants Cove zu dem Kennerspiel machen, als das es der Verlag auf dem Cover ausgewiesen hat.

Aktive Marktmanipulation bei Merchants Cove

Doch worum geht es überhaupt im Spiel? In der Rolle eines von vier völlig verschiedenen Händlern produziert ihr eure Waren, um sie in einer späteren Spielphase zu möglichst hohen Preisen an die Kundschaft zu verticken. Gemäß den Regeln der Marktwirtschaft regelt die Nachfrage nach einer bestimmten Ware den Preis. Umso mehr Kunden gerade scharf auf eure frisch geschmiedeten Schwerter sind, desto mehr Gold könnt ihr für eure Schmiedekunst verlangen. Kluge Händler richten daher ihre Produktlinien der zu erwartenden Nachfrage aus.

Merchants Cove Spielbrett Uebersicht Spielfeld See Hafen Steg Gilden
Bei Merchants Cove werden auf dem allgemeinen Spielfeld die Waren verkauft. © Pegasus Spiele

Die Kundschaft wartet bereits draußen in der Bucht, unmittelbar vor dem Hafen der Stadt. Sie befinden sich in einem von insgesamt sechs Booten, die jedoch erst anlegen, sobald alle Plätze an Bord gefüllt sind. Im Hafen befinden sich allerdings nur vier Anlegeplätze, so dass nicht alle Kunden zum Steg gelangen, um mich euch Handel zu treiben. Wäre es da nicht schön, die Abfahrten der Boote zum eigenen Vorteil zu manipulieren?

Merchants Cove: Eine Frage der Zeit

Zwei zufällige Kunden werden bereits zu Beginn einer jeden Runde in jedes Boot gestellt. Weitere folgen schon recht bald mit fortschreitender Dauer des Durchlaufs. Wer den Effekt auslöst, zieht einen zufälligen Kunden aus dem Beutel und darf anschließend selbst bestimmen, in welches Boot sich dieser gesellt. Auf diese Weise bestimmt ihr die Nachfrage der Güter maßgeblich mit. Sobald vier komplett besetzte Boote am Hafen angedockt sind, heißt es „rien ne va plus“ und es geht direkt in die Verkaufsphase über.

Merchants Cove Uhr Zeiger Zeit Schurken Zifferblatt
Bei Merchants Cove müssen alle Aktionen mit einen gewissen Zeitaufwand bezahlt werden. © Pegasus Spiele

Zumindest, wenn euch der Lauf der Zeit nicht zuvor einen Strich durch die Rechnung macht. Denn diese ist in Merchants Cove ebenso ein knappes Gut. Jede Aktion muss mit einem gewissen Zeitaufwand bezahlt werden. Haben alle Händler ihr Kontingent verbraten, wird die Verkaufsphase ebenfalls direkt eingeleitet. Alle Kunden, die nicht in der Hafenregion anlegen konnten und noch auf ihren Schiffen verweilen, landen zuvor aber dennoch in der Stadt. Sie werden gemäß ihrer Farbe in dem zugewiesenen Gildenhaus platziert. Die Besetzungsstärke der Häuser wird sich schon in der kommenden Spielphase auf das Einkommen der Händler auswirken.

Bei Merchants Cove klingeln die Kassen

Jetzt zahlt sich die harte Produktionsarbeit endlich aus. Die Farben der Kunden zeigen an, hinter welchen Waren sie her sind. Als Schmied und Alchemistin stellt ihr zwar natürlich gänzlich andere Produkte her, spieltechnisch werden diese jedoch gleichbehandelt. Rote Kunden kaufen rote Waren, grüne Kunden kaufen grüne Waren. Die gesamte Farbpalette steht dabei jedem Händler zur Verfügung. So kann eine rote Ware gleichzeitig eine geschmiedete Waffe, als auch ein gebrautes Elixier sein.

Glücklicherweise ist die zahlende Kundschaft immer gut bei Kasse. Alle Waren kommen unter den Hammer, sofern ihr sie wirklich verticken möchtet. Eine hohe Nachfrage zahlt sich jetzt aus. Als Preis könnt ihr den Basiswert eine Ware ausrufen, der mit der Zahl der wartenden Kunden multipliziert wird. Da kommt schnell ein ordentliches Sümmchen zusammen. Welche Kunden zu welchem Steg bugsiert werden, spielt ihr Merchants Cove also schon eine gewichtige Rolle, auf die ihr taktisch Einfluss nehmen könnt.

Merchants Cove Gilden Figuren Uhr Zifferblatt Zeiger
Die Gildenhäuser belohnen euch bei Merchants Cove, wenn ihr bestimmte Symbole auf eurem Tableau freischaltet. © Pegasus Spiele

Doch auch die Kunden, die es nicht zu euch an den Steg geschafft haben, kommen nun zu ihrem Einsatz. Die bislang nicht beachteten Figuren wandern in ihre farblich passenden Gildenhäuser ab, die euch beim Handel hilfreich zur Seite stehen. Schaltet ihr auf eurem persönlichen Tableau die passenden Symbole frei, lässt sich mit ihrer Unterstützung ein schönes regelmäßiges Extraeinkommen sichern.

Basisversion von Merchants Cove umfasst vier Händler

Die Art und Weise wie der Handel abläuft, unterscheidet sich bei den Händlern also nicht großartig. Bei der Produktion gehen diese allerdings ganz andere Wege. Jeder Spieler verfügt über ein ziemlich einzigartiges Set von Möglichkeiten und spielt in Merchants Cove damit sein ganz persönliches Minispiel. Beim Schmied setzt ihr zwölf verschiedenfarbige Würfel in gleich vier Öfen ein, um damit Waffen und Rüstungen zu produzieren, sofern vorgegebene Würfelergebnisse erzielt werden. Durch geschicktes Taktieren lassen sich bei der Schmiedearbeit diverse Boni freischalten und Synergien erschließen. Freunde von Würfeleinsetz-Spielen finden im Schmied möglicherweise ihren bevorzugten Händler-Charakter.

Merchants Cove Kapitaenin Zeitreisender Schmied Alchemistin
Dem Basisspiel von Merchants Cove liegen bereits vier verschiedene Händler bei. © Pegasus Spiele

Das Spiel mit dem Zeitreisenden fühlt sich hingegen wie eine Reinkarnation des Brettspiel-Klassikers „Das verrückte Labyrinth“ an. Einzelne Elemente des Spielplans werden hier durch das Einschieben von Plättchen aus dem Spiel genommen, so dass sich die Auslage ständig ändert. Als Zeitreisender hantiert ihr außerdem gleich mit zwei Spielfiguren, die durch Zukunft und Vergangenheit reisen, um an ihre Waren zu gelangen. Je nachdem welche Felder gerade verfügbar sind, stehen euch eine andere Produktvarianz zur Verfügung.

Merchants Cove: Vier Spiele in einem?

Wählt ihr die Kapitänin, kreuzt ihr sogar mit gleich vier Schiffen auf den Ozeanen umher. Auf einem elf Felder großen Spielplan kassiert ihr verborgene Schätze oder fischt nach Waren in den Tiefen des Meeres. Positioniert ihr die Schiffe taktisch klug, lassen sich schnell viele Waren auf einen Schlag generieren. Als kleines Gimmick bringt die Kapitänin außerdem noch einen Kompass mit beweglicher Nadel mit ins Spiel. Wird dieser aktiviert, dann dürft ihr einmal kräftig den Zeiger kreisen lassen, um einen zufälligen Bonus zu kassieren.

Merchants Cove Korruption Karten Axt Totenkopf
Mit Korruptionskarten kann die Schurkengilde bei Merchants Cove negativen Einfluss auf den Erfolg eures Händlers nehmen. © Pegasus Spiele

Bei der Alchemistin dürft ihr wiederum mit lustig bunten Murmeln hantieren. Sie stellen Zutaten dar, die nach bestimmten Rezepten zu Tränken und Elixieren gebraut werden. In einem kleinen Gefäß lagern die kleinen Kügelchen in zwei Reihen aufgegliedert und warten nur darauf, von euch entnommen zu werden. Dazu entscheidet ihr euch für eine Reihe im Gefäß, sowie für eine Murmelfarbe. Ihr nehmt die farblich passenden Kugeln aus der gewählten Reihe, wodurch natürlich andere Kugeln von oben nachrutschen. Liegen in der Reihe nun wieder die passenden Zutaten, dürft ihr erneut zuschlagen. So entstehen manchmal schöne Kettenreaktionen, die euch später bei der Trankproduktion zugutekommen.

Erweiterungen für Merchants Cove verfügbar

Doch damit wurde das Kreativpulver der Merchants-Cove-Macher offenbar noch nicht ganz verschossen. Der Verlag bietet direkt zur Veröffentlichung des Spiels eine ganze Reihe von Erweiterungen an. Mit dem Gastwirt, dem Orakel und der Drachenzüchterin kommen nochmal drei neue Händler ins Spiel. Ebenfalls verfügbar ist die Geheimversteck-Erweiterung, die das Spielerlebnis um neue Kartensätze sowie um zusätzliche Solospieler-Missionen ergänzen.

Merchants Cove Staedter Einwohner Karten Figuren Hafen Bruecke
Diverse Städter warten in Merchants Cove nur darauf, von euch angeworben zu werden. © Pegasus Spiele

Merchants Cove ist für ein bis vier Spieler ab zehn Jahren geeignet. Wenn ihr eine zusätzliche Händler-Erweiterung erwerbt, können sogar bis zu fünf Personen an einer Partie teilnehmen. Dafür solltet ihr etwa eine bis anderthalb Stunden einplanen. Merchants Cove ist bereits im Handel erschienen und kostet etwa 70€.

Fazit: Merchants Cove bietet einen wilden Mechanik-Mix und wird dafür mit dieser asymmetrischen ingame-Testwertung belohnt

Wertungsgrafik Merchants Cove
Der wilde Mechanik-Mix bringt Merchants Cove diese ingame-Testwertung ein. © ingame.de

Die Pegasus-Neuheit Merchants Cove sorgt in vielerlei Hinsicht für Verblüffung. Das Versprechen, ein stark asymmetrischen Spielerlebnis zu erzeugen, wurde auf jeden Fall eingehalten. Egal ob ihr euch für den Schmied, die Alchemistin, den Zeitreisenden oder die Kapitänin entscheidet… die Partie fühlt sich für euch jedes Mal ganz anders an. Allerdings spielt jeder Händler auch ein wenig einsam vor sich her. Klar, durch das Befüllen der Boote nehmt ihr schon ein wenig Einfluss auf die Gewinnmarge der Mitspieler, doch ansonsten hat Merchants Cove nicht sonderlich viel Interaktivität zu bieten. Für harmonieleibende Spieler muss das kein Nachteil sein. Es gibt wenig Möglichkeiten, sich gegenseitig etwas wegzunehmen oder anderweitig Konflikte auszutragen. Jeder Händler treibt sein Spielchen ziemlich ungestört vor sich her, nur dass eben jeder ein ganz anderes Spiel spielt. Mechanisch gestalten sich diese sogar ziemlich abwechslungsreich, wenn auch nicht sonderlich komplex. Ob man sich bei Pegasus mit der Einstufung als Kennerspiel wirklich einen Gefallen getan hat? Die Krux an der ganzen Geschichte: die Regeln für den einzelnen Händler sind simpel, doch es sind eben immerhin gleich vier völlig verschiedene Regelwerke. Ungeachtet dieses Dilemmas funktioniert Merchants Cove als Familienspiel allerdings ziemlich gut. Es fordert einen sanften Schuss Taktik, bietet viel Abwechslung und sieht dabei noch fantastisch aus. Wenn ihr bei Spielen dieser Art ebenso einen hohen Wert auf eine tolle Ausstattung legt wie bei Expertenspielen, dann dürfte Merchants Cove dieses Anforderungsprofil bestens erfüllen.

ProCon
+ bietet vier asymmetrischen Händlercharaktere- geringe Interaktion
+ viel Abwechslungsreichtum- wer ein komplexes Kennerspiel erwartet, wird enttäuscht
+ tolle Ausstattung
+ 4 Erweiterungen direkt verfügbar
+ friedvolles Gameplay

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