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Test: Arkham Horror - Das Kartenspiel

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Von: Sebastian Hamers

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Waren H.P. Lovecraft und seine Cthulhu-Geschichten vor einigen Jahren noch ein kleiner Geheimtipp für Freunde des gepflegten Horrors, so gehören die Werke des amerikanischen Schriftstellers mittlerweile schon fast zur Populärliteratur. Das Universum von Cthulhu strahlt eine große Faszination aus, folgerichtig ist es nicht nur bei literarischen Umsetzungen geblieben. Das Pen-and-Paper-Rollenspiel gibt es bereits seit den frühen 80er Jahren und befindet sich mittlerweile in der siebten Auflage.

Im Videospiel-Sektor gab es ebenso bereits einige Versuche, den Cthulhu-Mythos umzusetzen. Ende Oktober wartet mit Call of Cthulhu vom Entwickler Cyanide bereits wieder ein neues Abenteuer für PC, Xbox One und die PlayStation 4 auf uns. Am meisten dürfte aber die Brettspiel-Branche von der Kreativität Lovecrafts profitiert haben. Viele Bestseller wie Arkham Horror, Eldritch Horror oder auch die Villen des Wahnsinns basieren auf den Ideen des Autors. Zuletzt sorgte insbesondere das Arkham Horror Kartenspiel für Furore.

In diesem Kartenspiel versucht ihr kooperativ das Spiel in die Knie zu zwingen. Jeder Spieler übernimmt dabei die Rolle eines völlig individuellen Ermittlers. In der Grundbox findet ihr fünf verschiedene Charaktere, jeder mit seinen eigenen Stärken und Schwächen. Die Figuren unterscheiden sich jedoch nicht lediglich hinsichtlich ein paar Eigenschaften, jeder von ihnen verfügt über ein eigenes Kartenset. Hinzu kommen noch besondere Spezialfähigkeiten, mit denen sich die Figuren weiter voneinander abheben. Das Arkham Horror Kartenspiel gehört zur Kategorie der Living Card Games. Mit dem Basisspiel erhaltet ihr genügend Material für zwei Spieler und es bietet sogar noch ein wenig Puffer, um ein paar erste Erfahrungen mit dem Deckbau zu machen. So könnt ihr euren eigenen Kartenstapel individualisieren und neue Strategien entwickeln.

Kartenspiel mit Rollenspiel-Einfluss

Seit der Erstveröffentlichung der deutschen Fassung vor etwa anderthalb Jahren wurden bereits fleißig Kartenpakete nachgelegt. Unzählige große und kleine Erweiterungen sorgen dafür, dass es im Arkham Horror Kartenspiel nicht so schnell langweilig wird. Wie bei den Living Card Games üblich, kauft ihr bei den Paketen nie die Katze im Sack. Bei jedem Kauf ist stets transparent, welche Karten ihr erhaltet. Das wilde Kaufen von Boosterpaketen, um diese eine bestimmte Karte zu erhalten, entfällt somit.

Damit euch der Einstieg nicht ganz so schwerfällt, findet ihr im Handbuch auch ein paar Vorschläge für die ersten Decks. Ein Teil der Karten ist dabei allerdings für einen speziellen Ermittler reserviert. Jeder Charakter kann auf Karten zurückgreifen, über die sonst kein anderer Ermittler verfügen kann. Somit ist das Versprechen von individuellen Figuren mehr als ein bloßes Lippenbekenntnis. Durch den Zukauf neuer Sets könnt ihr eure Möglichkeiten erweitern. Vor allem enthalten die Extrapakete aber auch neue Storyabschnitte. Das Böse ruht in Arkham Horror nie.

Geschichte steht im Mittelpunkt

Ihr habt euer Kartenset zusammengestellt? Gut, dann könnt ihr euch schon fast ins Abenteuer stürzen. Jetzt müsst ihr nur noch das Abenteuer vorbereiten. Dazu werden gezielt, nach Anleitung aus dem Handbuch, einzelne Karten herausgesucht und in zwei Stapeln verteilt. Da wäre zunächst einmal das Agenda-Deck. Es repräsentiert den Fortschritt des Bösen. Als Ermittler seid ihr gut beraten, möglichst zu verhindern, dass hier weitere Karten aufgedeckt werden. In jeder Spielrunde wird auf das Agenda-Deck allerdings ein Marker gelegt. Sobald sich eine bestimmte Anzahl an Marker hier angesammelt haben, hat das Böse genug Kräfte gesammelt, um ihre Agenda weiter voranzutreiben. Der Fortschritt in der Agenda hat dann zumeist auch reichlich unangenehme Folgen für euch als Spieler, alles natürlich hübsch verpackt im Kontext der Horror-Geschichte.

Im zweiten Kartenstapel befinden sich die Szenenkarten. Diese stellen euren eigenen Spielfortschritt dar. Um in diesem Kartenstapel nach vorne zu gelangen, müsst ihr Hinweise sammeln, die ebenfalls in Form von kleinen Markern vorliegen. Das erste Szenario beginnt damit, dass ihr in eurem Arbeitszimmer eingesperrt seid. Das Arbeitszimmer wird durch eine Ortskarte dargestellt, eure Ermittlerkarten legt ihr passend hinzu. Jede Ortskarte kommt zunächst verhüllt ins Spiel. Erst wenn ein Charakter den neuen Ort betritt, wird die Ortskarte enthüllt und umgedreht. Auf der Rückseite der Karte findet ihr dann nähere Informationen zum Ort.

Eine Reise voller Gefahren

An einem Ort angelangt, erhaltet ihr auch eine Information darüber, wie viele Geheimnisse es hier zu entdecken gibt. Entsprechend werden Hinweismarker auf der Ortskarte platziert. Die zweite Angabe auf der Karte ist der sogenannte Schleierwert. Dieser gibt an, wie schwer es ist, dem Ort eines dieser Geheimnisse zu entlocken. Für eure Ermittlungen vor Ort müsst ihr eine Probe auf euren Intellekt ablegen. Die Proben gehen denkbar einfach vonstatten. Ihr zieht dazu lediglich einen Probenmarker aus einem Beutel. Auf diesen Markern findet ihr einen Zahlenwert, den ihr jetzt mit eurem Eigenschaftswert verrechnet. Habt ihr mit eurem modifizierten Wert mindestens den Schleierwert des Ortes erreicht, gilt die Probe als gelungen und ihr dürft euch einen Hinweismarker nehmen. Einige Marker im Beutel tragen jedoch keine Ziffer, sondern lösen ein besonderes Ereignis aus, das ihr dann nachschlagen müsst. Diese Besonderheit sorgt für zusätzlichen Nervenkitzel.

Mit vereinten Kräften sammelt ihr nun weitere Hinweise bis ihr mit den Markern im Szenendeck vorrücken könnt. Damit faltet sich die Geschichte weiter auf und es ploppen möglicherweise auch neue Orte auf. Das Böse tummelt sich allerdings auch manchmal an den versteckten Orten. Blutrünstige Monster warten an den Plätzen nur auf euch. Wollt ihr die nötigen Hinweise finden, müsst ihr euch diesen Schrecken stellen. Ihr rüstet euch also besser gut aus, wenn ihr überleben möchtet.

Auf in den Kampf

Kämpfe werden ganz ähnlich abgehandelt wie andere Proben auch. Wieder zieht ihr einen Marker aus dem Beutel und verrechnet den dort angegebenen Wert. Als Basis dient diesmal der Stärkewert eures Ermittlers. Als Endergebnis solltet ihr nun mindestens den Stärkewert der Kreatur erreichen, dann fügt ihr dieser einen Schadenspunkt zu. Auf den Kreaturenkarten findet ihr eine Angabe zu den Lebenspunkten des Monsters. Erst wenn ihr genug Schaden ausgeteilt habt, scheidet die Kreatur aus dem Spiel aus.

Wenn es doch einmal brenzlig wird, habt ihr natürlich auch die Möglichkeit zur Flucht. Gefordert ist dann der Beweglichkeitswert des Charakters, den ihr nach dem gleichen Vorbild mit der Beweglichkeit des Monsters vergleicht. Einige Kreaturen haben jedoch das Merkmal des Jägers und verfolgen euch auch an andere Orte. Völlig vermeiden lassen sich die Gefechte kaum. Mit einer guten Waffe meistert ihr die Kämpfe da schon deutlich einfacher. Sie erleichtern etwa die Probe im Kampf oder fügen dem Gegner gleich mehrere Schadenspunkte zu. Ganz praktisch können auch Verbündete im Spiel sein, die manchmal auch Schaden austeilen, aber oft auch ganz andere Vorteile mit sich bringen.

Das Böse schläft nie

Im Rundenverlauf dürfen nicht nur die Spieler aktiv werden. Auch die Gegner warten nicht stumpf auf eure nächste Aktion. Jäger-Kreaturen versuchen euch nachzustellen, außerdem greifen sie aktiv eure Charaktere an, die sich am gleichen Ort befinden. Sie zielen sowohl auf eure körperliche als auch eure geistige Gesundheit ab. Der Angriff eines Gegners teilt eine festgelegte Menge an Schaden aus. Ihr legt entsprechende Marker auf eure Ermittlerkarte. Der Bundesagent Roland Banks beispielsweise ist körperlich recht robust, dafür jedoch seelisch eher fragil. Anders herum gestaltet sich wieder die Situation bei der Bibliothekarin Daisy Walker.

Die Charaktere haben sogar noch weitere Ecken und Kanten. Ins Charakterdeck wird noch eine Schwächekarte eingemischt. Sobald ihr diese Karte zieht und auf die Hand nehmt, zeigt sich die dunkle Seite eures Ermittlers. Eine Amnesie lässt euch fast alle Karten von der Hand abwerfen, mit der Paranoia müsst ihr alle gesammelten Ressourcen abwerfen, die ihr dringend zum Ausspielen von Handkarten benötigt. Die Schwächen der Charaktere sind genauso toll in den Spielablauf integriert wie die anderen Funktionen und Karten.

Wenn der Vorhang fällt

Im Verlauf der Geschichte sammeln die Ermittler auch Erfahrungspunkte. Mit ihnen könnt ihr verbesserte Kopien eurer Karten ins Deck aufnehmen. Durch das Aufwerten der Karten werden die Ermittler immer stärker und mächtiger. So können sie sich später dann auch schwereren Abenteuern stellen und in der Geschichte nach vorne kommen. Das Basisspiel enthält insgesamt drei Szenarien, die miteinander verwoben sind.

Ein Szenario endet, wenn es euch gelungen ist, die letzte Karte des Szenendecks zu enthüllen. Ist es nicht so gut gelaufen, kann natürlich auch das Böse triumphieren. Am Ende steht auf jeden Fall eine Auflösung der Geschichte. Doch selbst wenn die Schergen der Finsternis diesmal erfolgreich waren, muss das Spiel nicht wieder neu gestartet werden. Die Geschichte kann problemlos fortgeführt werden, die Situation kann möglicherweise jedoch dann ein wenig unkomfortabel ausfallen.

Mit dem Basisspiel habt ihr genug Material für zwei Spieler. Im Arkham Horror Kartenspiel können bis zu vier Ermittler gemeinsam antreten, dazu benötigt ihr dann ein zweites Grundspiel. Das Basisspiel kostet etwa 40€. Im Handel findet ihr mittlerweile auch zahlreiche Erweiterungen für das Spiel, mit denen die Geschichte fortgeführt wird. Dazu zählen große Erweiterungen wie etwa das erste große Addon „Das Vermächtnis von Dunwich“, das sich preislich bei etwa 25€ - 30€ bewegt. Hier erhaltet ihr nicht nur neue Szenarien, sondern auch andere Charaktere. Mit den Erweiterungen bekommt ihr nochmals deutlich mehr Spielraum, um an euren Decks zu feilen. Bis heute erscheinen regelmäßig neue Sets zum Arkham Horror Kartenspiel, ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Pros

Cons

Fazit

Als alter Fan des Sammelkartenspiels Magic: The Gathering habe ich ja immer noch ein wenig Respekt, wenn so ein umfangreiches Projekt wie das vorliegende Arkham Horror Kartenspiel vor mir liegt. Zu groß ist die Gefahr, gleich mehrere hundert Euro in den Ausbau eines einzigen Spiels zu stecken. Das Konzept eines Living Card Games ist mir da schon viel sympathischer. Egal welches Set ich erwerbe, es ist vorab klar, was ich erhalte. Ungewollte Doppelkäufe müssen nicht befürchtet werden. Nachdem ich nun das Basisspiel und auch die erste Erweiterung gespielt habe, werde ich aber wohl dennoch nicht um eine weitere Investition herumkommen. Das Arkham-Fieber hat mich gepackt. Die Gruselatmosphäre ist großartig. Immer wieder geschieht etwas Überraschendes, so dass die Ermittler gemeinsam die nun wohl passende Strategie besprechen müssen. Besonders gut gefallen hat mir auch die Einzigartigkeit der Charaktere sowie deren Weiterentwicklungspotenzial. Die Freude über gewonnene Erfahrungspunkte ist groß und es macht Spaß zu sehen, wie das eigene Deck an neuen Möglichkeiten gewinnt. Gleichzeitig ist aber auch das blanke Entsetzen oft sehr nah. Eine Schwächekarte zur unpassenden Zeit kann die gesamte Strategie schnell mal über den Haufen werfen. Stimmig ist auch die Qualität des Materials, insbesondere das Artwork auf den Karten trägt maßgeblich zur Stimmung des Spiels bei. Da lässt es sich auch noch verschmerzen, dass der Beutel, aus dem ihr die Marker zufällig zieht, dem Spiel nicht beiliegt. Mich wird das Arkham Horror Kartenspiel sicher noch eine ganze Zeit lang begleiten. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Ausflug in die Welt von H.P. Lovecraft.

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