The Hunger im Test: Der neue Deckbauer des Magic-Erfinders

Richard Garfield schickt euch mit The Hunger ins Reich der Vampire. Herausgekommen ist ein Deckbau-Spiel mit Wettlaufcharakter.
Beim Namen Richard Garfield dürfte es bei einigen von euch sicher klingeln? Klar, das war doch der Typ, der in den 90er Jahren mit seinem Trading Card Game „Magic: The Gathering“ dicke Löcher in die Geldbeutel der Spieler gebohrt hat. Das Sammelkartenspiel war seinerzeit allerdings auch spielerisch tatsächlich ein Meilenstein. Das Spiel traf voll den Puls der Zeit und sorgte daher nicht nur in den Kreisen der eingefleischten Brettspiel-Nerds für Furore, sondern wurde zum Massenphänomen. Entsprechend hellhörig wird die Brettspiel-Welt auch heute noch, wenn Richard Garfield ein neues Spiel präsentiert. In gewisser Weise bleibt der Autor mit der Neuheit The Hunger seiner Linie treu. Denn auch diesmal handelt es sich um ein Spiel mit Deckbau-Mechanik. Das dicke Loch im Geldbeutel ist allerdings nicht zu befürchten, denn Erweiterungen durch Lootboxen Boosterpakete mit Zufallskarten stehen bei The Hunger nicht auf der Agenda des Verlags.
The Hunger: Vampire auf Beutezug
In The Hunger übernehmt ihr die Kontrolle über einen Vampirclan. Bei Anbruch der Nacht entsteigen eure Blutsauger den dunklen Gräbern und begeben sich auf die Jagd nach Menschenblut. Genau fünfzehn Spielrunden stehen euch dazu zur Verfügung, dann sind die ersten Sonnenstrahlen des Tages zu sehen, die euren Vampiren den Pelz verbrennen. Vor Ablauf dieser fünfzehn Spielrunden müsst ihr also wieder in eurem sicheren Versteck angelangt sein, sonst gilt die Partie als verloren.

Vor euch breitet sich zunächst eine große Spielweise aus. Die nächtliche Reise beginnt im sicheren Hafen: dem Schloss. Von dort aus macht ihr euch auf den weiten Weg, passiert diverse Abschnitte mit einigen Abzweigungen. Je weiter ihr euren Vampir vorantreibt, desto lukrativer fällt der Beutezug aus. Fernreisende sahnen daher auf ihrer Tour möglicherweise die größten Blutreserven ein. Doch schaffen sie es auch rechtzeitig zurück ins sichere Schloss? Wer sein Glück zu sehr herausfordert, geht bei The Hunger am Spielende leider leer aus.
Geschwindigkeit ist bei The Hunger keine Hexerei
Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Schnelligkeit bei The Hunger auszahlt. Wie schnell die Vampire durch die Umgebung marodieren, hängt maßgeblich von der Ausgestaltung des eigenen Kartendecks ab. Pro Zug werden drei Karten ausgespielt. Jede Karte stellt dabei einen Teil des Vampirclans dar, der seine eigenen Fähigkeiten in die Jagd nach Menschenblut einbringt. Dies sind individuelle Spezialfähigkeiten, aber vor allem auch einen vorgegebenen Geschwindigkeitswert. Die Werte aller gespielten Karten werden addiert und können nun in die Bewegung der Spielfigur investiert werden.

Die Gesamtgeschwindigkeit kann für die Bewegung, aber auch zum Jagen investiert werden. Ihr entscheidet selbst, wie ihr den Wert zwischen diesen beiden Aktionen aufteilt. Zum Jagen werden ein bis drei Geschwindigkeitspunkte benötigt. Sie gewähren euch Zugriff auf eine offene Auslage. Je weiter sich das Objekt der Begierde entfernt befindet, desto mehr Punkte müsst ihr für die Jagd investieren. In der Auslage befinden sich überwiegend Menschen, aber auch einige Vampir-Gefährten und Sonderfähigkeiten sind dabei.
The Hunger: Ein Spiel für Deckbau-Strategen
Gejagte Karten wandern zunächst auf den Ablagestapel, werden so aber im weiteren Spielverlauf auf eure Hand gespült. Menschenkarten bringen euch Siegpunkte, denn von ihrem Blut sichert ihr das Überleben des Clans. Außerdem bringen diese Karten einige nette Spezialeigenschaften ins Spiel, die so manche mächtige Kombo ermöglichen. Allerdings haben die Menschen auch einen echten Nachteil: sie sind stinklangsam. Es ist also eine gute Balance und viel Fingerspitzengefühl gefragt. Wer einfach nur gierig nach Menschenblut jagt, wird schon recht bald kaum noch von der Stelle kommen.

Es lohnt sich eben, nur bestimmte Opfer zu jagen und in das eigene Deck aufzunehmen. Manche Karten wirken wie füreinander geschaffen, andere ergeben einen weniger guten Deal, wenn sie gemeinsam ausgespielt werden. Jeder Vampirclan sammelt im Verlauf des Abenteuers außerdem Plättchen mit Jagdzielen. Die Ziele verschaffen euch zusätzliche Vorteile oder Siegpunkte, wenn ihr bestimmt Karten ins Deck integriert habt. Wählt eure Opfer also mit Bedacht.
In The Hunger wird gejagt und geplündert
Die gewählte Jagdstrategie ist somit ein Schlüsselelement zum Spielsieg. Doch auch durch das Zurücklegen von Wegstrecke lässt sich bei The Hunger so mancher Bonus herausschlagen. Auf dem Spielbrett wimmelt es vor kleinen Belohnungen. Am Wegesrand warten Schatztruhen auf euch oder einige Brunnen, die Energie spenden und eine zusätzliche Jagdphase im Zug erlauben. Im Gasthaus dürft ihr die Vampirzähne gleich in Serie in menschliche Opfer schlagen. Ihr eignet euch so zwar gleich mehrere Karten auf einen Schlag an, kauft aber irgendwie auch die Katze im Sack. Welchen Typen ihr den Vampirkuss geschenkt habt, erfahrt ihr nämlich erst im Nachhinein.

Zwischendurch stattet ihr möglicherweise auch der ein oder anderen Grabstätte einen Besuch ab. Auf diesen werden die bereits erwähnten Jagdziele geparkt. Bei einem Zwischenstopp dürft ihr hier ein weiteres Jagdziel wählen, das hoffentlich gut zu eurer eingeschlagenen Strategie passt. Ein Ausflug ins ferne Hinterland kann sich bei The Hunger aber auch ohne Aktivierung eines Sonderfelds lohnen. Wer sich fernab des sicheren Schlosses bewegt und dort einen Menschen erlegt, darf sich über zusätzliche Siegpunkte freuen. Auf diese Weise kommen schnell ziemlich viele Zusatzpunkte zusammen.
Deckoptimierung bei The Hunger
Damit die gejagten Menschen das Deck nicht zu sehr verstopfen, gelangen hin und wieder auch einige Vampir-Gefährten oder Gegenstände in die offene Jagd-Auslage. Sie können genauso wie Menschen dem eigenen Kartenstapel hinzugefügt werden. Siegpunkte sind hier natürlich eher nicht zu erwarten, dafür warten diese Karten mit anderen Vorzügen auf und machen das Deck in der Regel wieder etwas flotter. Für einen weiteren Geschwindigkeitsboost empfiehlt es sich ebenso, das Deck zwischenzeitlich etwas auszudünnen.

Bestimmte Effekte im Spiel erlauben es euch, einen Menschen zu verschlingen. Die Karte wird beiseitegelegt, kann am Spielende aber dennoch in die Wertung einfließen. Wer regelmäßig diesen Effekt nutzt, hält sein Deck angenehm schnell und effizient. Alternativ dazu tauchen in The Hunger jede Menge Karten auf, die euch das Ziehen und Spielen von zusätzlichen Karten erlauben. Werden in einem Zug dann auf einmal fünf oder sechs Karten aktiviert, kommt vielleicht so dennoch eine ordentliche Gesamtgeschwindigkeit zusammen.
Spannender Endspurt zum Schloss bei The Hunger
Nach fünfzehn Spielrunden wird abgerechnet. Wer bis dahin nicht wieder ins Schloss zurückgekehrt ist, hat direkt verloren. In die Wertung fließen nun alle bis dahin gesammelten Siegpunkte ein, die jetzt noch mit den erfolgreich abgeschlossenen Jagdzielen verrechnet werden. Je nach Spielerzahl dauert die Jagd zwischen 45 und 90 Minuten.

The Hunger eignet sich übrigens tatsächlich auch für eine etwas größere Spielgruppe. Bis zu sechs Personen ab zehn Jahren können sich ein einer Partie beteiligen. Die deutschsprachige Version erscheint über Pegasus Spiele im Handel und ist ab sofort zum Preis von rund 50€ zu haben.
Fazit: The Hunger überzeugt mit taktischem Deckbau und Wettlaufcharakter, verdient sich somit diese blutlüsterne ingame-Testwertung

Es dürfte wohl kaum jemanden verwundern, dass Richard Garfield der Deckbau-Mechanik eng verbunden ist. Doch auch wenn das Zusammenstellen eines persönlichen Kartenstapels im Mittelpunkt von The Hunger steht, verfolgt der Spieleautor diesmal einen ganz anderen Ansatz. Durch das ständige Hinzufügen wird das Deck selten stärker. Die gejagten Menschen sorgen zwar für den benötigten Nachschub an Blut, behindern den Spielfortschritt aber zunehmend. Im Prinzip wird das Deck im Spielverlauf immer schlechter und vor allem langsamer. Menschenblut muss her, aber nicht um jeden Preis. In The Hunger gilt es, die Beute gezielt zu wählen und eine langfristige Jagdstrategie zu entwickeln. Das fällt in den ersten Partien gar nicht so leicht. Im ersten Durchlauf hat es meine Vampir-Figur jedenfalls nicht sonderlich weit geschafft. Für mich stand bald fest: wenn ich jetzt nicht ins Schloss zurückkehre, wird mich das Sonnenlicht gnadenlos rösten. Mit der richtigen Strategie und natürlich auch etwas Glück können es die Vampire aber tatsächlich bis ans Ende des Spielfelds schaffen. Verzocken kann man sich bei The Hunger schnell. Wer zu gierig auf die Jagd geht oder sich zu weit in die hintere Landschaft vorwagt, kann am Ende alles verlieren. Einen gewissen Poker-Faktor kann The Hunger somit nicht verhehlen. Bei The Hunger hat Richard Garfield somit viele Elemente gekonnt unter einen Hut gebracht.
Pro | Con |
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+ spielt sich auch in größeren Gruppen gut | - Regelwerk etwas unübersichtlich |
+ gutes Spielmaterial | |
+ Deckbau mal anders | |
+ thematisch gut umgesetzt |