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Für MW2 lasse ich alles stehen und liegen – Deshalb schäme ich mich in Grund und Boden

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Von: Joost Rademacher

Modern Warfare 2 ruft bei allem Erfolg tiefe Scham hervor
Ich kann nicht aufhören MW2 zu spielen – Obwohl ich mich in Grund und Boden schäme © Activision/ingame (Montage)

Schon wieder bricht Activision mit Call of Duty alle Rekorde. Auch ich baller mich wie bekloppt durch MW2 – und dafür schäme ich mich aufs Härteste.

Hamburg – Modern Warfare 2 ist da und verkauft sich wie geschnitten Brot. Millionen von Spieler*innen tummeln sich wieder in den Lobbies, alle jagen nach Lackierungen, Abzeichen, Aufsätzen und ich bin (schon wieder) mittendrin. Auch ich schmeiße mich regelmäßig mit der Knarrenmündung voran in MW2. Aber jedes Mal, wenn ich das Spiel starte, schäme ich mich, allein weil der Name Activision Blizzard draufsteht. Über mich selbst schäme ich mich noch mehr, weil ich mich diesem Unternehmen schon wieder willentlich ausliefere, obwohl ich es besser wissen sollte.

Name des SpielsCall of Duty: Modern Warfare II
Release28. Oktober 2022
PublisherActivision
ReiheCall of Duty
EntwicklerInfinity Ward
PlattformPS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X/S, PC
GenreFirst-Person Shooter

Activision Blizzard leistet sich Skandal nach Skandal – Boykott wäre angebracht

Schon bevor Blizzard mit an Bord war, galt Activision mit Leichtigkeit als einer der größten Publisher der Welt, hauptsächlich dank Call of Duty. Heute ist es aber eben nicht mehr „nur“ Activision. Es ist Activision Blizzard. Beide Unternehmen zusammen haben mächtig viel Scheiße gebaut. Fürchterliche Arbeitsbedingungen mit brutaler Crunchtime, Diskriminierung am Arbeitsplatz, sexuelle Belästigung und Sexismus-Skandale bei Activision Blizzard – habt ihr alles auch schon gehört. Findet sich ja genug zu im Internet.

Hauptquartier von MW2 Publisher Activision in Santa Monica
MW2-Publisher Activision hat nicht gerade eine glanzvolle Vergangenheit © Activision

Damit das klar ist: Was bei Activision Blizzard passiert ist, ist ekelhaft und sollte Konsequenzen für alle Beteiligten haben. Viele der beschuldigten Mitarbeitenden des Missbrauchs-Skandals sind immerhin gefeuert worden. Aber es ist gekommen, wie es kommen musste. Niemand spricht mehr drüber. Ein Hoch auf außergerichtliche Einigungen, das Geld spricht laut genug. Und Bobby Kotick ist bis heute CEO, trotz Proteste der eigenen Belegschaft und obwohl er drei Jahre vor der Öffentlichkeit von den Umständen in seinem Unternehmen wusste.

Man müsste den ganzen Laden boykottieren, zumindest bis es handfeste Beweise für Besserung gibt. Genau das war auch mein Plan. Weg von Activision Blizzard, kein Geld mehr in den Rachen der Maschine, zumindest von mir. Schluss mit Overwatch, Diablo und eben Call of Duty. Andere würden da bestimmt mitziehen. Aber könnt euch schon denken, wie das beim Release von MW2 geendet ist.

Jetzt zock ich doch wieder MW2, aber mein Moralbewusstsein kotzt

Modern Warfare 2 hatte nicht nur den verkaufsstärksten Start aller „Call of Duty“-Spiele, es hat auch noch in nur zehn Tagen eine Milliarde Dollar eingespielt. Eine verdammte Milliarde Dollar in den Taschen eines Unternehmens, bei dem ich nicht darauf vertrauen kann, dass das Spiel unter sauberen Arbeitsbedingungen entstanden ist. Und ich bin mittendrin. Immer wieder schäme ich mich, dass ich alles stehen und liegen lasse, sobald sich die Möglichkeit ergibt, eine Lobby mit Freund*innen zu füllen. Ich schäme mich, einem Unternehmen Geld in den Hals zu stecken, das so viel Scheiße verzapft hat.

Wo bleibt denn da die Moral? Tatsächlich ist sie immer präsent. Sie sitzt mir im Hinterkopf und kotzt sich aus, in jedem Moment, in dem ich das Pad in der Hand habe und mir die nächsten Aufsätze ergrinde. Ich kann nur hoffen, dass es bei anderen auch so ist. Ein Boykott würde, zumindest in diesem Fall, ohnehin nichts bringen. Dafür hat Activision die Shooter-Landschaft zu gut im Griff. Also werde ich MW2 weiterhin spielen, und mich weiter dafür schämen. Der geneigte Soziologiestudent denkt da an Theodor Adorno und sein Zitat „Es gibt kein richtiges Leben im Falschen.“ So langsam ergibt das für mich auch Sinn.

Call of Duty ist endgültig zu Gaming-Fast-Food geworden – schlechtes Magengefühl inklusive

Solange Call of Duty erscheint, werden Leute es spielen. Es bräuchte einen harten Reinfall, einen so richtig heftigen Fehltritt á la Battlefield 2042, damit die Fans es mal bei einem Release nicht millionenfach zocken. Der ganze Zirkus wird ein Jahr später aber eh wieder von vorne losgehen, wenn die nächste Ankündigung kommt. Was hinter dem Produkt passiert, oder passiert ist, wird egal sein. Das ist es nämlich immer – egal, ob es um Fast-Food, Klamotten, oder eben Videospiele geht. Das Zeug schiebe ich mir genauso rein, wie jede und jeder andere auch.

Was solls, zocken wir den ganzen Scheiß halt trotzdem, nützt ja eh alles nix. Aber lasst uns wenigstens nicht vergessen, was Activision verbrochen hat. Lasst uns ein Bewusstsein für das widerliche Verhalten des Unternehmens haben. Ich kann nur hoffen, dass der Publisher selbst genug unternimmt, um bei sich aufzuräumen, oder dass Microsoft das irgendwann übernimmt.

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