Hogwarts Legacy ist das Spiel meiner Kindheitsträume – kommt aber 10 Jahre zu spät
Als Kind habe ich auf den Brief aus Hogwarts gewartet. Warner Bros. hat ihn mir inzwischen geschickt. Aber Hogwarts Legacy kommt für mich 10 Jahre zu spät.
Hamburg – „Wutschen und wedeln“. Schon Professor Flitwick wusste, dass Magie nur wirkt, wenn sie gekonnt ausgeführt wird. Der Professor für Zauberkunst wurde zwar technisch gesehen erst nach Hogwarts Legacy geboren, seine Lehren gelten aber trotzdem. Ich habe das Game, auf das die „Harry Potter“-Fans seit Jahren warten, getestet und verrate euch, ob Hogwarts Legacy großer Zauber oder wildes Zauberstab-Gefuchtel ist.
Titel des Spiels | Hogwarts Legacy |
Datum der Erstveröffentlichung | 10. Februar 2023 |
Entwickler | Avalanche |
Serie | Harry Potter |
Herausgeber | Portkey Games, Warner Bros. Games |
Plattformen | PC, PS5, PS4, Xbox Series X, Xbox One, Nintendo Switch |
Genre | Open World, Action-Adventure |
Hogwarts Legacy soll begeistern – aber es spaltet schon vor Release
Der Brief von Hogwarts ist da: Hogwarts Legacy war schon lange vor Release Teil einer hitzigen Debatte. Die geistigen Ausfälle der Autorin J.K. Rowling in Bezug auf Trans*menschen waren ein Auslöser für viele Rufe nach einem Boykott. Wenn ihr euch zu diesem Thema informieren wollt, lest unseren Artikel zur Frage „Muss man Hogwarts Legacy boykottieren?“.
Für meinen Test habe ich Hogwarts Legacy deshalb losgelöst von der Boykott-Debatte betrachtet. Der Fokus lag darauf, das Spiel als solches zu betrachten und zu bewerten.
Hogwarts Legacy hat großes Potenzial – die Charaktere bringen das nur nicht rüber
Storytelling lebt und stirbt mit Dialogen: Gute Geschichten leben von ihren Charakteren und davon, welche Emotionen sie transportieren. Hogwarts Legacy hat hier viele gute Ansätze, schafft es aber nicht, einen davon sinnvoll bis zum Ende zu bringen. Als Beispiel: Professor Fig wird uns als Mentor vorgestellt, der seine Frau verloren hat und nun das Geheimnis über ihr Ableben aufklären will.
Im Verlauf von Hogwarts Legacy spielt er aber gar keine Rolle mehr, weil er nach zwei bis drei Stunden nicht mehr aktiv ins Geschehen eingreift. Er verkommt stattdessen zu einem laufenden Quest-Marker, den wir aufsuchen müssen, um die nächste Mission zu starten (an der er dann nicht teilnimmt).

Gute Dialoge hätten die Geschichte retten können, aber die meisten fühlten sich so hölzern an, dass es mir schwerfiel, mich auf die eigentliche Geschichte dahinter zu konzentrieren. Die Wachsfiguren-Mimik verschlimmert das alles nur. Die Dialoge in Hogwarts Legacy ähneln in ihrer Darstellung denen der Mass Effect Legendary Edition, nur ohne Tiefgang und Entscheidungsvielfalt. Vor zehn Jahren wäre das Zeitgemäß gewesen, 2023 leider nicht mehr.
Hogwarts Legacy bricht euch im Kampf die Finger – die Skills helfen da auch nicht
Kampfsystem zum Finger brechen: Da hilft auch kein Skelewachs. Um das Kämpfen in Hogwarts möglichst vielfältig zu machen, gibt es eine Vielzahl von Zaubersprüchen in Hogwarts Legacy, einschließlich der drei unverzeihlichen. Die einzusetzen ist aber so kompliziert, dass man sich beinahe die Finger bricht.
Auf der PS5 wirkt man den Standard-Zauber, indem man R2 antippt. Hält man R2 gedrückt, hat man mit den Buttons vier stärkere Zauber, die nach Einsetzen einen Cooldown haben. Um mehr als vier Zauber zu nutzen, muss man dann R2 und dazu das Steuerkreuz benutzen. So hat man 16 Zauber zur Auswahl.

Weil uns in Hogwarts Legacy in jedem Kampf aber etwa 15 Gegner*innen gegenüber stehen, drückt man hier leicht mal den falschen Knopf. Da kommt es schonmal vor, dass man im Eifer des Gefechts Lumos wirkt und dumm leuchtend in der Ecke steht. Das ist vor allem deshalb ärgerlich, weil das Kämpfen echt Spaß macht, wenn man einmal im Flow ist. Die Zauber fühlen sich wuchtig an und bieten eine Menge Möglichkeiten für Kombinationen.
Die Skills helfen euch kaum: Ab einem gewissen Punkt in Hogwarts Legacy könnt ihr Talentpunkte verteilen, um euch zu verstärken. Die machen euch auch spürbar stärker, trotzdem ist etwa die Hälfte davon nutzlos. Das liegt daran, dass man wegen der fummeligen Zauberei meist eh nur vier Zauber nutzt.
Darüber hinaus leveln Gegner*innen in Hogwarts Legacy mit, ihr habt also nie das Gefühl, wirklich mächtig zu sein. Auch das sollte spätestens nach Elder Scrolls IV: Oblivion ein Relikt der Vergangenheit sein. Hogwarts Legacy hinkt leider auch hier mehr als zehn Jahre in der Zeit zurück.
Hogwarts Legacy verwirrt auf ganzer Linie – das Spiel ist ein Labyrinth
Menüs aus der Hölle: Wer denkt, das Kampfsystem sei eine Qual, hat nicht mit den Menüs in Hogwarts Legacy gerechnet. Von etwa 25 Spielstunden habe ich locker zwei nur in Menüs verbracht. Unübersichtliche Strukturen, ständig neue Ausrüstung zum Anlegen und häufige Schnellreise in einer viel zu großen Welt fesseln euch an die Menüs. Das zu lernen erfordert mehr Geduld als das Kampfsystem.

Hogwarts Legacy hat nicht viel Hogwarts: Die viel zu große Spielwelt ist das perfekte nächste Stichwort. In Hogwarts Legacy findet die namensgebende Schule nämlich gar nicht so viel Platz. Stattdessen besteht die Map vor allem aus viel Hügelwiese und kleinen Dörfern. Dazwischen ist: Nichts. Alles sieht gleich aus und bietet keinerlei Anreiz zur Erkundung – auch die typisch ubisoftschen Open-World-‘Beschäftigungen‘ nicht.
Selbst die Dörfer sehen alle gleich aus: 3–4 Häuser, ein Baum, ein Felsen und ein Wagen samt Händler*in. Meine Empfehlung: Besen kaufen und fliegen, dann muss man sich das nicht anschauen. Eigentlich sollten derart leere Spielwelten seit Elden Ring, Cyberpunk 2077 oder The Witcher: Wild Hunt der Vergangenheit angehören.

Ich hab mich verlaufen – schon wieder: Hogwarts sieht authentisch aus. Dafür ist das Schloss so verwinkelt, dass man sich permanent verläuft. Auch nach dem Ende der Story habe ich keine Ahnung wo ich da gerade bin. Ein Blick auf die Karte hilft da auch nicht viel. Die ist nämlich genauso unübersichtlich wie die Menüs. Hogsmeade ist wiederum sehr ansehnlich. Hier streift man gerne mal durch die Gassen und Läden.
Hogwarts Legacy spielt in einer magischen Welt und ein bisschen Zauber springt doch über
Es liegt trotzdem Magie in der Luft: Trotz allem kam dann zumindest ein Funke von Magie auf. Wenn man beispielsweise die Geheimnisse von Hogwarts findet und löst, hat man zumindest kurz das Gefühl von Zauber. Und auch in den Höhlen und Dungeons der Spielwelt finden sich immer wieder Rätsel, die mit charmantem Design für ein Funkeln in meine Augen gesorgt haben.
Der perfekte Start in Hogwarts Legacy
Hogwarts Legacy: 5 Tipps zum Start
Das Gleiche gilt, wenn man das fummelige Kampfsystem gebändigt hat. Sobald man sich die Zauber im Menü zurechtgelegt hat, lässt man Kombinationen vom Stapel, die ihresgleichen suchen. Da zerlegt man die Gegner*innen auch mal, ohne dass sie den Boden berühren. Accio, Incendio, Expelliarmus, Depulso, Bombarda, Confringo und Descendo hinterher und schon ist alles Kleinholz.
Hogwarts Legacy spaltet die Redaktion: In der Redaktion hat Hogwarts Legacy bei und nach dem Test einige Diskussionen ausgelöst. Weil die Bewertung von Spielen immer subjektiv ist und Geschmäcker bekanntlich verschieden sind, haben wir zwei Fazits zu Hogwarts Legacy für euch.
„Die Story ist bis zum Schluss vorhersehbar und eintönig“ – Janik Boecks Fazit zu Hogwarts Legacy
Hogwarts Legacy könnte mehr sein: Hogwarts Legacy hat viele gute Ansätze, bringt aber keinen davon konsequent zu Ende. Die Story ist bis zum Schluss vorhersehbar und eintönig. Das liegt vor allem daran, dass die Charaktere wenig bis keine Emotionen rüberbringen. Die Spielwelt ist außerhalb von Hogwarts viel zu groß und innerhalb der Schule viel zu klein.

Das magische Kämpfen macht Spaß, wenn man den Bogen raus hat. Und selbst wenn Hogwarts in Hogwarts Legacy zu klein geraten ist, entfaltet das Schloss nach ein paar Stunden dann doch seinen Zauber. Auch Hogsmeade weiß zu überzeugen. Wer in Hogwarts Legacy gutes Gameplay und eine spannende Story erwartet, wird zumindest teilweise enttäuscht werden.
Wer einfach nur mal durch die Ländereien und das Schloss streifen will, dürfte glücklich werden. Ob ihr dafür 70 bis 80 Euro für Hogwarts Legacy ausgeben wollt, müsst ihr selbst wissen. Als ich ein Kind war, wäre es das perfekte Spiel für mich gewesen – jetzt ist Hogwarts Legacy einfach zehn Jahre zu spät.
„Man spürt die Magie von Hogwarts an jeder Ecke“ – Kim Bruns‘ Fazit zu Hogwarts Legacy
Der Zauber steckt im Detail: Nach 33 Stunden in Hogwarts Legacy kann ich sagen, dass mir das Spiel sehr viel Spaß gemacht hat. Ich habe die Atmosphäre des Spiels von Anfang an genossen. Man spürt die Magie in Hogwarts an jeder Ecke und das große, verwinkelte Schloss hat sofort meinen Entdeckerdrang geweckt. So sorgen beispielsweise tanzende Geister oder sich bewegende Rüstungen für ein zauberhaftes Ambiente und Geheimtüren oder mysteriöse leere Gemälde warten darauf, dass man ihr Geheimnis lüftet. Auch der Soundtrack transportiert die Magie des Spiels wirklich gut.

Wer ein forderndes und abwechslungsreiches Kampfsystem sucht, sollte sich besser nach einem anderen Spiel umsehen. Die Kämpfe laufen nämlich alle gleich ab und die einzige Herausforderung besteht in der Anzahl der Gegner*innen. Solange die keine bestimmte Schwächen haben, ist es nämlich egal, welche Zauber man benutzt. Die größte Schwierigkeit ist das Ausweichen oder Schilden im richtigen Moment, denn bei 20 Gegnern wird man natürlich alle 3 Sekunden aus irgendeiner Ecke anvisiert und kommt aus dem Flow.
Wer es zulässt und über die etwas trostlose Open World und die unübersichtlichen Menüs hinwegsehen kann, kann sich von diesem Spiel wirklich verzaubern lassen, denn der Zauber steckt hier im Detail. Auch die Charaktere und die Story haben mir wirklich gut gefallen. Harry Potter-Fans und Freund*innen von storygetriebenen Action-Adventures kann ich Hogwarts Legacy nur empfehlen.