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Luxus-Albtraum Gaming: Wer kann sich Videospiele überhaupt noch leisten?

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Von: Jonas Dirkes

Gaming ist verdammt teuer geworden. Vollpreis können sich nicht mehr alle leisten. Das ist nicht nur ungerecht, sondern lässt das Medium auch von innen faulen.

Hamburg – Dead Space kostete zu seinem Release im Jahre 2008 knapp 60 Euro. Wer in 2023 das Remake des Horror-Klassikers spielen will, der zahlt inzwischen 80 Euro an Publisher EA. Videospiele waren im Vergleich zu anderen Medien wie Büchern, Musik oder Filmen schon immer teuer und die Preise steigen stetig weiter. Gleichzeitig reißen Inflation und soziale Ungleichheit tiefe Furchen in das Gesicht der Spielerschaft. Wer kann sich Gaming zum Vollpreis da überhaupt noch leisten?

Vollpreis im Gaming gibt es nur noch für Wohlhabende

Es ist nicht nur ein Gefühl. Wer aktuelle Games spielen möchte, der muss blechen. So richtig. 70 Euro für The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom, 75 Euro für Hogwarts Legacy oder schlappe 80 Euro für das Dead Space Remake. Wer sich das digitale Vergnügen leisten kann, lebt in privilegierten Verhältnissen.

Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft liegt des bedarfsgewichtete Nettoeinkommen der deutschen Gesamtbevölkerung monatlich bei 2109 Euro. Hierbei handelt es sich um den Median. Das bedeutet 50 Prozent verdienen mehr als das, 50 Prozent aber auch weniger.

Gold Mario vor zwei großen Münzen
Vollpreis im Gaming: Wer kann sich das überhaupt noch leisten? © Nintendo | Deviant Art @Nibroc-Rock

Wer sich zur unteren Hälfte der Statistik zählt, für den schaut es schlecht aus. Miete, Mobilität und Nahrung zerfressen das ohnehin überschaubare monatliche Budget fast vollständig. Die seit dem Krieg in der Ukraine gestiegenen Preise nagen zusätzlich am Käse auf dem Konto.

Für Gaming bleibt da nur in den wenigsten Fällen der Preis eines Vollpreisspieles übrig. Sparen ist oft einfach nicht möglich. Prioritäten werden dann anders gesetzt: 10 Euro für Spotify, 15 Euro für den Streaming-Dienst der Wahl und vielleicht 9 Euro für PS Plus. Natürlich lieber monatlich gezahlt, damit man kündigen kann, ohne auf einen Schlag für 12 Monate abdrücken zu müssen.

So veränderte sich der Vollpreis von Videospielen über die Konsolengenerationen:

Xbox 360 und PlayStation 3 Vollpreisspiele bis 60 Euro

Xbox One und PlayStation 4Vollpreisspiele bis 70 Euro

Xbox Series X und PlayStation 5Vollpreisspiele bis 80 Euro

Es ist in diesem Kontext kein Wunder, dass Spiele-Abos wie der Xbox Game Pass oder PS Plus boomen. Ein kleiner, dafür kalkulierbarer Betrag ist leichter einzuplanen, als die große Investition. Wer hingegen auf Bürgergeld angewiesen ist, kann sich vielleicht nicht einmal das leisten. Lumpige 48,89 Euro der 502 Euro des Regelsatzes für 2023 sind hier monatlich für Freizeit, Unterhaltung und Kultur eingeplant.

Oft bleibt dann nichts anderes übrig, als den Free to Play-Reiter bei Steam anzusteuern. Auch Menschen ohne jegliches Einkommen, wie etwa Kinder, müssen sich hiermit abfinden. Spiele zum Vollpreis scheinen für diese Gruppen fast unerreichbar. Keine Überraschung also, dass die Spielerschaft von Warzone, Apex Legends oder Fortnite so gewaltig ist.

Singleplayer für die Vollpreis-Kundschaft, Multiplayer für den Rest

Gaming hat sich in den vergangenen Jahren eine Zweiklassengesellschaft geschaffen. Wohlhabende Gamer spielen zum Vollpreis im Singleplayer und wer sich das nicht leisten kann, muss sich im kostenlosen Multiplayer mit Leidensgenossen messen. Wird das Sparschwein dann doch zwei oder drei Mal im Jahr geschlachtet, muss vor allem der Umfang eines Vollpreisspiels passen: Gewaltige Open World, hoher Schwierigkeitsgrad oder immense Spielzeit sind Pflicht.

Selbst Kritiker werden bei knackigeren Spielen gerne einmal grantig und beanstanden Games, die nur wenige, dafür vielleicht aber eigentlich gut geschliffene Stunden Spielspaß bieten. Durch diesen Umfangswahn leidet schlussendlich die Diversität des Mediums Videospiel. Längere Entwicklungszeiten und weniger Spiele sind die Folge der aufgeplusterten Veröffentlichungen.

Isaac aus Dead Space kämpft gegen ein Monster.
Das Dead Space Remake wird für knapp 80 Euro verkauft. © EA

Wer in Videospielen ein Kulturgut sucht, der hat besonders schlechte Karten. Experimentierfreudigere Entwicklungen können sich nur Edel-Entwickler wie Naughty Dog leisten. Von 2007 bis 2011 erschienen ganze drei Teile der Uncharted-Reihe für die PS3. Bei The Last of Us warteten Gamer dann sieben Jahre auf eine Fortsetzung. Als The Last of Us Part 2 schließlich erschien, streckte Entwickler Naughty Dog eine 10 Stunden tragende Erzählung auf 20 Stunden.

Schlussendlich führt der Wunsch nach Spielen, die ihr Geld wert sind, so selbst zu höheren Preisen. Denn was sich länger in Entwicklung befindet, das kostet auch mehr. Ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen scheint. Je weiter die Schere zwischen Free to Play und Vollpreis also klafft, umso schlechter für die Vielfalt des Mediums Videospiel.

Besonders bitter ist in dieser Hinsicht, dass nicht einmal das alte Credo Vote with your Wallet mehr zu greifen scheint. Wer kein Geld im Beutel hat, der kann auch nicht damit abstimmen, welche Spiele künftig entwickelt und wie sie aussehen werden – das ist ungerecht, verzerrt die Sicht benachteiligter Gamer und lässt das Medium langsam faulen.

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