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Dead Island 2 Review: Urlaub fürs Gehirn

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Von: Joost Rademacher

Das lang verschollene Zombie-Actionspiel Dead Island 2 ist alles andere als hohe Kunst. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, macht es verdammt viel Spaß.

Hamburg – Wir leben in einer Zeit, in der Videospiele immer mehr von sich selbst halten. AAA-Releases versprechen regelmäßig große Stories, kinoreifes Gameplay und endlos viel Inhalt. Was dabei oft irgendwo auf der Strecke bleibt, ist das Spiel selbst. Dead Island 2 weiß noch, dass es ein Spiel ist. Das lang erwartete Zombie-Actionspiel schert sich wenig darum, wie gut inszeniert ist, es will einfach nur Spaß machen. Das gelingt in großen Teilen hervorragend, auch wenn hier und da ein wenig Politur nicht geschadet hätte.

Name des SpielsDead Island 2
PublisherDeep Silver, Plaion
EntwicklerDambuster Studios
PlattformPS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X, PC
GenreHorror, Action

Dead Island 2: Wenn der Touritrip nach Los Angeles schiefgeht

In einem Fall von perfekt passender Metapher hat Dead Island 2 sich nach neun Jahren endlich aus dem Grab erhoben. Dambuster Studios hat sich des verschollenen Spiels angenommen und von Grund auf neu entwickelt, nachdem es vorher durch mindestens zwei andere Studios gegangen war. Dennoch ist einiges beim Alten geblieben: Dead Island 2 spielt seine Apokalypse in Los Angeles aus, wie der erste Trailer damals schon andeutete.

Santa Monica Pier bei Sonnenuntergang in Dead Island 2
Dead Island 2 zaubert ein fast schon malerisches Los Angeles hervor © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

LA ist in Dead Island 2 nicht voll begehbar, dafür fangen die spielbaren Locations die Westküstenstadt perfekt ein. Von den Nachbarschaften der Reichen und Schönen in Bel-Air bis zu den charmant-heruntergekommenen Tourifallen von Venice Beach hat Dambuster den „Vibe“ der Stadt in wenigen Locations herunter destilliert. Selbst die Sonne scheint in Los Angeles anders und dieser charakteristische Sonnenschein kommt richtig gut zur Geltung. Dead Island 2 gehört locker zu den authentischsten Darstellungen der Westküstenstadt in Games – wenn da nicht so viele Zombies wären.

Dead Island 2: Gameplay-Style über Story-Substanz

Das amerikanische Festland wird in Dead Island 2 zum Ziel eines Zombie-Virus, das auch im ersten Teil die fiktive Insel Banoi im Griff hatte. Als einer von sechs Überlebenden ist es eure Aufgabe, aus Los Angeles zu entkommen, die Ursache für den Ausbruch zu finden und – wisst ihr was, drauf geschissen. Als würdet ihr euch einen Dreck um die Story in einem Spiel wie Dead Island 2 scheren. Was in der Handlung passiert, werdet ihr bis zum Ende des Spiels schon wieder völlig vergessen haben.

Story in Dead Island 2 ist Nebensache. Ich weiß, was ihr wirklich wollt. Wenn ihr auch nur das geringste Interesse an Dead Island 2 habt, dann wollt ihr Blut sehen, und das eimerweise. Könnt ihr haben. Wie wär‘s hiermit?

Brennende Zombieleichen in Dead Island 2
Dead Island 2: Blutig genug? © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

Reicht euch das noch nicht? Keine Angst, wo das herkommt, gibt es noch viel mehr. Schaut mal hier:

Blutverschmiertes Hotelbadezimmer in Dead Island 2
Dead Island 2: Was hier passiert ist, will ich gar nicht so genau wissen © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

Butter bei die Fische, Dead Island 2 setzt Gameplay-Style über Story-Substanz. Das Spiel lebt durch und durch davon, dass ihr möglichst viele Zombies kreativ und mit höchster Brutalität zurück ins Nachleben zurückschickt. Im Laufe der Kampagne werdet ihr zerstückeln, verbrennen, ätzen, aufschneiden, elektroschocken, niederprügeln, treten, schießen, zerfetzen, explodieren und so ziemlich alles machen, was größtmöglichen Schaden an untoten Organismen verursacht. Und das macht höllisch viel Spaß.

Dead Island 2: Ein Schlachtfest sondergleichen – wenig Finesse, umso mehr Spaß

Das Kampfsystem von Dead Island 2 knüppelt richtig hart, das kann man nicht anders sagen. Es mag ein wenig Eingewöhnung brauchen, weil die Animationen manchmal nicht so viel Wucht haben, wie sie könnten. Hat man aber einmal Blut geleckt und ein Gefühl für das kreative Zusammenspiel aus Waffen und Umwelt entwickelt, dann ist Kirmes. Die First-Person-Prügeleien haben nicht viel Finesse, aber sie sind schnell, wuchtig und machen schlichtweg Spaß.

Das ist, was ich eingangs meinte. Dead Island 2 lehnt sich in voll in seinen altmodischen, leicht trashigen Videospielcharme. Natürlich gibt es rote Fässer, die Brände auslösen können, gelbe Fässer, die explodieren, und grüne Fässer, die Säure verteilen. Dead Island 2 will nicht jede seiner Mechaniken kontextualisieren, es will euch einfach eine gute Zeit bereiten. Da hinterfragt man auch nicht mehr, warum mal ein Pickup mit haufenweise roten Fässern mitten auf einer Straße steht. Man will darauf ballern und sich das Feuerwerk ansehen.

Spielercharakter macht Drop-Kick gegen Zombie in Dead Island 2
Dead Island 2: Ein paar zünftige Drop-Kicks dürfen nicht fehlen © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

Einen großen Teil an diesem altmodischen Spaß macht auch der offensichtlich absurd hohe Brutalitätsgrad in Dead Island 2. Ich muss es wirklich noch einmal betonen, dieses Spiel ist so brutal, wie ich es lange nicht mehr erlebt habe. Auch in der leicht entschärften deutschen Version spratzt und splattert es, als gäb es kein Morgen. Die F.L.E.S.H-Engine arbeitet hier Überstunden und zaubert ein echtes Gorefest auf die Bildschirme. Das kann man ekelhaft finden. Es ist aber auch so over-the-top, dass es eher an trashige Zombie-B-Movies erinnert, als dass es wirklich einen verstörenden Effekt hätte.

Dead Island 2: Bei den Charakteren fehlt es an Reife

Diesen Trash-Faktor hat Dambuster Studios auch bei den Charakteren von Dead Island 2 einbauen wollen, dort will der Funke aber nicht so richtig überspringen. Die sechs Hauptcharaktere erstrecken sich vom edgy Alt-Girl bis zum Driplord-Lil-Pump-Verschnitt und bei allen merkt man so ein bisschen den Versuch, mit einer jüngeren Zielgruppe anbandeln zu wollen. Noch dazu sabbeln die Hauptcharaktere am laufenden Band, was auch schon in God of War Ragnarök und Horizon Forbidden West für Frust sorgte. Niemand kann einfach mal die Schnauze halten.

Bei den spielbaren Charakteren fehlt es aber auch in Sachen Gameplay ein wenig an Reife. Jede Hauptfigur hat eigene Stats und einzigartige passive Fähigkeiten, aber das Ganze ist ein wenig halbgar. Im aktiven Gameplay sind die Unterschiede zu vernachlässigen, alle spielen sich mehr oder minder gleich.

Hauptcharakter Bruno in Dead Island 2
Dead Island 2: Bruno ist nur einer von sechs spielbaren Douchebags © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

Stellenweise mangelt es auch einfach an Erklärung, nie wird genau benannt, wie sich zum Beispiel die einzelnen Attribute auf das Geschehen auswirken. Das Skillsystem mit den Schlächter-Karten bringt da ein wenig Abhilfe, geht aber noch nicht genug in die Tiefe. Der Löwenanteil der Anpassung und des Charakterfortschrittes kommt da eher aus der Waffenvielfalt und den Crafting-Optionen, die den Karren dann doch ganz gut aus dem Dreck ziehen. Verschiedene Waffentypen haben unterschiedliche Wirkungen, alle davon könnt ihr mit Upgrades und neuen Schadensarten ausstatten.

Dead Island 2: Ein eintöniger Spaß ohne Schnörkel – dafür mit solidem Umfang

Am stärksten ist Dead Island 2 dann, wenn man gerade erst alle Materialien an einer Werkbank für fettes Equipment ausgegeben hat und die neuen Prügel sich an einer dicken Horde Zombies so richtig bezahlt machen. Ihr solltet aber auch hoffen, dass dieser Kick euch über das gesamte Spiel hinweg tragen kann, denn alles am Spiel stützt sich darauf. Wer lieber mehr Abwechslung an seinem Spiel sehen will, könnte sich am Gemetzel nach ein paar Stunden sattgesehen haben.

Trotzdem habe ich Dead Island 2 mit für den Großteil der Zeit mit einem breiten Grinsen im Gesicht durchgespielt. Dambuster Studios hat einen Weg gefunden, die Metzelei auch nach 20 Stunden frisch zu halten, auch weil das Spiel ständig neue Gegnertypen und zusätzliche Mechaniken, wie den Rage-Modus einführt. Bugs waren nach dem ersten großen Update übrigens stark reduziert. Ihr solltet den Day-One-Patch also dringend herunterladen, auch wenn er nicht alle größeren und kleineren Ausrutscher behebt.

Dead Island 2 Key Art
Dead Island 2 Review: Urlaub fürs Gehirn © Deep Silver / Plaion / Dambuster Studios

Dead Island 2: Fazit zur sonnigen Zombie-Apokalypse mit B-Movie-Flair

Es ist schön, wenn ein Spiel mal genau weiß, was es mit seinem Spieler machen will. Dead Island 2 ist sich bestens bewusst, dass es für seine Story keine Awards abräumen wird und dass es vielleicht mit seiner Inszenierung keine Bäume ausreißt. Aber das ist hier auch nicht der Anspruch. Dead Island 2 will euch mit einem irren Arsenal an Waffen von Marke Eigenbau das größtmögliche Massaker anrichten lassen. Und darin geht es einfach richtig steil.

Zugegebenermaßen dürfte nicht jede*r so scharf auf eine etwa 20-stündige Splatterorgie sein. Man muss aber den Schritt von Dambuster Studios, einfach mal ein schnörkelloses Videospiel zu machen, hoch anrechnen. Auch mit seinem relativ limitierten Gameplaygerüst entwickelt Dead Island 2 einen furchtbar hypnotischen Spielfluss aus looten, leveln und neuen Waffen, der immer wieder zur nächsten Prügelei einlädt. Ich kann nicht glauben, dass ich jetzt K.I.Z. zitiere, aber Dead Island 2 ist einfach Urlaub fürs Gehirn.

ProContra
+ Richtig hart knüppelnde Zombie-Action mit B-Movie-Charme- Vergessbare Story mit schwachem Ende
+ Das hübscheste virtuelle Los Angeles seit langem- Skillsystem und passive Charakterfähigkeiten ohne großen Impact aufs Spielgefühl
+ Kampfsystem bietet viel Platz für Kreativität und Ausdruck- Ständiges Gequatsche
+ Große Waffenauswahl mit viel Variation und Craftingoptionen- Gameplay-Loop könnte sich auf Dauer abnutzen
+ 6 verschiedene, voll vertonte, kompetent gespielte Hauptcharaktere- Gelegentliche Bugs und Performanceprobleme
+ Solider Umfang mit bis zu 30 Stunden Spielzeit
+ Auch in deutscher Version absurd brutal
+ Fast vollständig Koop spielbar

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