Der Herr der Ringe: Gollum Preview – Düstere Aussichten in Mordor
Daedalic Entertainment ist zurück und hat ein großes Eisen im Feuer. Mit „Der Herr der Ringe: Gollum“ will das Studio mehr Ambition und Cineasmus beweisen.
Hamburg – Wer an Daedalic Entertainment denkt, hat als erstes vermutlich quirlige Adventure-Games mit hoch stilisierter Grafik im Kopf. Mit eben solchen Spielen hat das Hamburger Entwicklerstudio sich seit 2007 einen Namen und eine treue Fanbase erarbeitet. Alle guten Dinge brauchen aber irgendwann frischen Wind und diesen hat Daedalic im Tolkien-Universum gefunden. Der Herr der Ringe: Gollum ist das erste große Spiel des Studios seit einer großen Umstrukturierung – entsprechend lastet viel auf der Reise des tragischen Hobbits. Die ersten 20 Minuten Gameplay-Footage geben einen Ausblick auf Daedalics neue Ambitionen.
Name des Spiels | Der Herr der Ringe: Gollum |
Release | 01. September 2022 |
Publisher | Daedalic Entertainment, Nacon, Bigben Interactive |
Entwickler | Daedalic Entertainment |
Plattform | PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X, PC, Nintendo Switch |
Genre | Action-Adventure |
Der Herr der Ringe: Gollum – Frische Ansätze und ein ungewöhnlicher Protagonist
Was ist Gollum überhaupt für ein Spiel? Auf dem Papier könnte man meinen, dass Daedalic sich bei Herr der Ringe: Gollum an alte Tugenden hält. Schließlich betitelt das Studio sein neues Werk ebenfalls als Adventure. Aber wo Adventure draufsteht, ist nicht gleich gemächliches Geklicke und Gerätsel drin. Vorbei sind die Zeiten von Point-and-Click. Zum ersten Mal setzt Daedalic auf ein vollumfängliches Stealth-Abenteuer aus Third-Person-Perspektive, in dem ihr Mittelerde als einer seiner bekanntesten Bewohner erkundet.
Was ist vom Gameplay zu erwarten? Vieles an Der Herr der Ringe: Gollum erinnert erstaunlicherweise an so Genrevertreter wie Tomb Raider. Das bloße Durchqueren der offenbar sehr linearen Abschnitte des Spiels ist laut dem Studio einer der Hauptbestandteile des Gameplays, wobei Gollums ungewöhnliche Geschicklichkeit und Flinkheit im Mittelpunkt stehen sollen. Man könnte beinahe meinen, dass Daedalic sich in Richtung eines Jump ‘n Run bewegt, aber zu methodisch und langsam funktioniert das ganze, als dass es der Bezeichnung gerecht würde.
Der Herr der Ringe: Gollum – Lieber Umwege nehmen als konfrontieren
Wird es Kämpfe geben? Wenn ihr in Der Herr der Ringe: Gollum nicht gerade zwischen den Steilklippen Mordors und Umgebung umherkraxelt, müsst ihr vor allem Konfrontationen mit Orks und allerlei anderem Gekröse überleben. Daedalic will sich hier an die Eigenheiten des Charakters halten, also werdet ihr statt Prügelei eher auf Geschick und Hinterlistigkeit setzen müssen – Gollum ist in großen Zügen halt ein Stealth-Spiel. Als schlüpfriger kleiner Hobbit müsst ihr eure Umgebung nutzen und mit cleveren Ablenkungen arbeiten, um euch irgendwie den Weg an der gelegentlichen Ork-Patrouille vorbei zu bahnen.

Kämpfe gibt es dafür viel eher in Gollums, oder eben Smeagols, Psyche. Immer wieder wird das Spiel euch vor Momente stellen, in denen ihr entweder aus der Sicht des „guten“ Smeagols oder des „bösen“ Gollums handeln könnt. Die Entscheidungen müsst ihr hier selbst treffen, nachdem ihr hören konntet, wie beide Persönlichkeiten mit einer Situation umgehen würden. Offenbar sollen diese Momente sich auch auf das Ende des Spiels auswirken. Ein netter kleiner Kniff, der das Spiel noch mehr um den komplexen Charakter herumbaut, auch wenn solche Moralentscheidungen bei weitem nicht mehr neu sind.
Wo liegen die Probleme? Der Grundgedanke der Struktur von Der Herr der Ringe: Gollum ist löblich. Vor allem setzt Daedalic offensichtlich viel daran, das Gameplay möglichst nah an der originalen Darstellung des titelgebenden Charakters zu orientieren. Fraglich ist aber, ob das auch für die gesamte Länge des Spiels unterhalten kann. Nennenswerte Progression wird Gollum nämlich nicht durchmachen. Es gibt keine weiteren Skills, die der Hobbit sich aneignen kann; keine Möglichkeit, seine Umgebung besser oder effizienter zu nutzen. Da läuft Daedalic Gefahr, zu viel tatsächliches Spiel zugunsten der Korrektheit der Lore zu opfern.

Noch dazu schienen die Kletterpassagen in den gezeigten Szenen nicht allzu fordernd oder komplex zu sein. In gewissen Momenten wird Gollum beim Klettern allmählich Ausdauer verlieren, was die Mechanik immerhin ein wenig ausschmückt. Da die meiste Action an vorgefertigten, festen Wegen stattfindet, fragt sich aber, ob so ein Ausdauersystem wirklich nötig oder fördernd für das Gameplay wäre. Da wird das volle Spiel die Antworten für liefern müssen.
Der Herr der Ringe: Gollum – Mehr Buch als Film und doch was ganz Eigenes
Wann und wo spielt Gollum? Antworten wird auch Gollum selbst liefern müssen, aber nicht an die Spieler*innen, sondern an Gandalf. Der Herr der Ringe: Gollum spielt etwa parallel zum Beginn der Erzählung der Gefährten, kurz bevor Gandalf im Auenland einkehrt. Statt aber die Geschehnisse rein chronologisch durchzugehen, finden viele Dinge als Rückblende statt, von denen der Hobbit erzählt, als der Zauberer ihn in Bruchtal zu seiner Flucht aus Mordor befragt. Daedalic hat immer wieder betont, dass das Spiel völlig unabhängig von Peter Jacksons Filmen ist, viel mehr würde das Team sich bei der originalen Erzählung von Tolkien bedienen.

Mit weiteren Plotpunkte oder Rahmengeschehnissen zu Gollum hat Daedalic in der Preview noch zurückgehalten. Das Konzept der Story stimmt aber durchaus neugierig, auch wenn es noch ein wenig schleierhaft ist, in welche Richtung die Dramaturgie führen soll. Da Daedalic einen Hang zu toll erzählten Geschichten hat, könnte sich hier die größte Stärke des Spiels verbergen. Leider muss man da eben auch auf den vollen Release warten, um in der Hinsicht definitive Aussagen zu treffen.
Was macht die Technik für einen Eindruck? Dafür war die Preview-Präsentation durchaus aufschlussreich, was die Präsentation und Technik des Spiels angeht. Hier können wir nur hoffen, dass das Entwickler*innenteam noch ein wenig feilt und poliert, bis das Spiel im Herbst erscheint. Die Animationen in Gollums Bewegungen sehen oft noch hölzern oder zu hakelig aus. Gerade in Sprüngen und bei Kletterpassagen wollen die Bewegungsabläufe noch nicht so recht umhauen und gleiches gilt im ersten Eindruck für die Kamera, die noch ein bisschen zappelig und unsauber wirkt.

Bei der Grafik und Atmosphäre des Spiels plagen uns ähnliche Sorgen. Ein überwältigender Großteil des gezeigten Gameplays spielte in den Bergen Mordors und auch wenn die Stimmung des lebensfeindlichen Berglandes gut rüberkam, sah das Gezeigte doch nicht völlig frisch und modern aus. Viele Szenen hatten einen unnatürlichen Glanz, den man von vielen Spielen der Unreal Engines 3 und 4 noch kannte, waren überladen mit Bewegungsunschärfe und Schatten hatten noch nicht ganz die Glaubwürdigkeit, die sie vertragen könnten. Glücklicherweise dürfte es hier aber noch am meisten Gelegenheit für das Team geben, bis zum Release Nachbesserungen zu machen.
Der Herr der Ringe: Gollum – Ausblick auf die Fantasy-Schleicherei
Was könnte aus Gollum werden? Nach unseren ersten Einblicken in Der Herr der Ringe: Gollum kommen wir nicht um das Gefühl herum, dass Daedalic sich vielleicht ein wenig in seinen Ambitionen verfahren hat. Vieles an dem neuen Großprojekt des Studios wirkt bezogen auf das Gesamtkonzept entweder zu groß gedacht, oder eben nicht ausgereift genug.
Bis zur Veröffentlichung gibt es noch einige Stellschrauben zu drehen, die größte Sorge besteht aber um das sehr begrenzt gestaltete Gameplay. Wenn Daedalic da nicht einige gute Setpieces im Ärmel hat, könnte Gollum einiges an Dampf verlieren. Bleibt zu hoffen, dass das Entwicklerstudio seine erzählerischen Stärken dafür weiter gut ausspielt.