1. ingame
  2. Tests

Pentiment im Test: Ein bayerischer Krimi im besonderen Gewand

Erstellt:

Von: Daniel Meyer

Pentiment: Kunstvoller Grafikstil, gepaart mit einem Krimi in Oberbayern im 16. Jahrhundert. Ob das neueste Werk von Obsidian überzeugen kann, erfahrt ihr im Test.

Irvine, USA – Hinter Pentiment versteckt sich ein eigentümlicher Titel, der insbesondere durch sein skurriles Gewand auffällt und in dem wir es mit einem bayrischen Krimi zu tun bekommen. Wären hier nicht die Jungs und Mädels von Obsidian Entertainment für verantwortlich, könnte das Spiel schnell der Nichtbeachtung anheimfallen. Immerhin zeigte sich die Spieleschmiede mit Titeln wie Pillars of Eternity, The Outer Worlds und Fallout: New Vegas bereits für herausragendes Storytelling verantwortlich. Ob Fans sich mit Pentiment auf eine Überraschung gefasst machen dürfen, oder der interaktive Krimi nur ein gewagtes Experiment bleibt, erfahrt ihr im Folgenden.

Spieltitel:Pentiment
Release-Datum:15. November 2022
Genre:Rollenspiel, Adventure
Plattformen:PC, Xbox Series, Xbox One
Entwickler:Obsidian Entertainment
Publisher:Microsoft

Pentiment im Test: Vom Meister-Maler zum Meister-Detektiv

Reuestriche ist Synonym für das deutsche, eher selten verwendete Wort, Pentiment. Solche entstehen, wenn ein Künstler im Schaffensprozess seine gemalten Werke verändert. Dies kann passieren, wenn der Künstler mit der von ihm geschaffenen Komposition nicht zufrieden ist, sodass Formen übermalt, Farben geändert und Linienführungen korrigiert werden. Was dies mit einer Reihe von Morden in einer kleinen oberbayerischen Stadt im 16. Jahrhundert zu tun hat, erfahren wir im Laufe des Spiels.

Den ersten Anknüpfungspunkt an den Namen des Titels können wir mit unseren Hauptcharakter Andreas Maler setzen. Wie es zur damaligen Zeit üblich gewesen ist, tragen die Menschen ihre Berufsbezeichnung als Nachnamen. Andreas, der zwar noch kein Meister ist, aber im fiktiven oberbayrischen Ort Tassing in einer Abtei an seinem Meisterstück arbeitet, steht im Rampenlicht des Geschehens. Sein Leben könnte so einfach sein, würde ihm das Schicksal nicht in einen Mordfall verwickeln.

Pentiment: Nicht mal in der Abtei kann unser Held in Ruhe arbeiten
Pentiment: Nicht mal in der Abtei kann unser Held in Ruhe arbeiten © Obsidian Entertainment

Zu allem Überdruss wird auch noch ein liebgewonnener Freund von Andreas beschuldigt, die Tat begangen zu haben. Grund genug für unseren Maler, sein Handwerk zu pausieren und sich an ausgefeilter Detektivarbeit zu versuchen. Schnell müssen wir in Pentiment jedoch erfahren, dass die Hintergründe hinter diesem Mordfall alles andere als simpel sind.

Die Dorfbewohner sowie die Nonnen und Mönche des Klosters haben alle ihre eigenen Sorgen, Wünsche und ausgefeilten Hintergrundgeschichten, die mit hineinzuspielen scheinen. Hier zeigt sich auch, dass Obsidian insbesondere im Storytelling weiterhin brilliert.

Trotz trägen Starts: Pentiment überrascht

Das auffälligste Merkmal an Pentiment ist ohne Frage die visuelle Präsentation, die ganz im Stil mittelalterlicher Zeichnungen daherkommt. Selbst die Menüführung ist in Form eine Buchs aufgezogen und die Sprechblasen werden in unterschiedlichen klassischen Schriftarten geschrieben oder gedruckt – auch mit manchen Rechtschreibfehlern, die sogar korrigiert werden.

Weitere Tests bei ingame.de

Cult of the Lamb: Selbst zum Sektenanführer werden

DOLMEN: Ambitioniertes Horror-Soulslike mit zu wenig Biss

Gotham Knights: Funktioniert die Story ohne Batman?

Dies bringt auf der einen Seite einen ganz eigenen Charme mit sich, auf der anderen kann der eigenwillige Look zunächst sicher viele Spieler abschrecken. Auch die ersten zwei Spielstunden tragen ihr übriges dazu bei, denn der Start von Pentiment ist mehr als gemächlich.

Hat man die schleppende Anfangsphase jedoch überstanden, geht es inhaltlich alsbald richtig los. Dabei ist das gesamte Spiel in mehrere Kapitel aufgeteilt, die sich über einen Zeitraum von 25 Jahren erstrecken. So können wir hautnah miterleben, wie die politischen und zwischenmenschlichen Ereignisse das Stadtbild des Örtchens Tassing verändern.

Auch unsere Entscheidungen, die wir im Spielverlauf von Pentiment fällen dürfen, vermitteln ein starkes Gefühl, Auswirkungen auf die Zukunft zu haben. Dabei nutzt Obsidian auch etwas speziellere Spielmechaniken, um ein zusätzliches Freiheitsgefühl aufkommen zu lassen.

In Pentiment bestimmen wir unsere Vorgeschichte selbst
In Pentiment bestimmen wir unsere Vorgeschichte selbst © Obsidian Entertainment

So können wir zum Beginn und in unterschiedlichen späteren Momenten in Pentiment unsere Vorgeschichte und Spezialisierungen, wie bspw. Medizinkenntnisse, Logik oder bestimmte Sprachkenntnisse anpassen. Diese schalten in Dialogen zusätzliche Antwortmöglichkeiten frei, mit denen wir unseren Gesprächspartnern wichtige Informationen entlocken können.

Im Verlauf des Spiels lohnt es sich immer wieder, die Dorfbewohner abzuklappern, um interessante Dialoge zu führen und Events mitzuerleben. Die getätigten Dialogoptionen merkt sich Pentiment und in späteren Gesprächen werden diese Aktionen gewichtet. Haben wir die Gunst eines NPC erhalten, verrät uns dieser vielleicht wichtige Hintergründe.

Geschichtsunterricht hautnah: Bauernkrieg, Martin Luther und mehr…

Ein großes Lob hat sich Obsidian mit Pentiment im Bereich der Geschichtskunde verdient. Während der Ort Tassing noch ein rein erfundener ist, so werden uns im Laufe des Spiels zahlreiche damalige Ereignisse und Gegebenheiten sehr nah gebracht. In Dialogen erhalten wir immer wieder Infohäppchen zu unterschiedlichen Ereignissen in der Welt.

Darunter die 95 Thesen von Martin Luther, der Deutsche Bauernkrieg um 1524 und die Situation der Juden zur damaligen Zeit in Europa. Besonders spannend ist hier, wie Pentiment dieses Wissen weiter transportiert, denn der Spieler wird des Öfteren aus seiner Komfortzone geholt.

Auch Rätsel gilt es in Pentiment zu lüften
Auch Rätsel gilt es in Pentiment zu lüften © Obsidian Entertainment

Interessant ist zudem, dass die Geschehnisse dem Spieler nicht aufgezwungen, sondern beiläufig in Dialogen erwähnt werden. Personen- und Ortsnamen sowie unterschiedliche andere Begriffe werden in den Sprechblasen unterstrichen angezeigt, was ein Indiz für mehr Informationen ist.

Rufen wir nun die Menüführung auf, die in Form eines Notizbuches daherkommt, sehen wir am Rande dessen einige kleine Vermerke zu den Begriffen, die uns zusätzliche Erläuterungen anbieten. So tauchen wir nicht nur tiefer in die Welt von Pentiment ab, auch lernen wir noch etwas über die Deutsche Geschichte.

Pentiment im Test: Unser Fazit zum gewöhnungsbedürftigen Bayern-Krimi

Fans von gutem Storytelling aber auch Anhänger von klassischen Point & Click Adventuren sollten Pentiment nicht abschreiben, denn trotz einer sehr eigenwilligen Präsentation überzeugt der Titel auf ganzer Linie und sorgt obendrein für manche Überraschungen. Jedoch gilt auch zu bedenken, dass das Budget für die Entwicklung dieses Titels eher moderat ausgefallen ist.

Dies erkennen wir unter anderen daran, dass die Synchronisation komplett fehlt, der Soundtrack überschaubar ausfällt und nicht zuletzt an den spärlichen Animationen der Charaktere. Dass Optik jedoch nicht alles ist, das zeigt Pentiment bravourös und kontert mit einer fesselnden Geschichte, gepaart mit Erkundungs- sowie sporadischen Rätselelementen. So dauert es nicht allzu lang, bis die Geschichte fesselt, wir dem Mörder auf die Spur kommen und dessen Motiv entschlüsseln wollen.

ProContra
Sympathischer Grafikstil...... an den man sich erst gewöhnen muss
Herausragende, spannende StoryKeine Synchronisation
Tolles CharakterdesignSoundtrack kaum vorhanden
Stadtbild und Menschen verändern sich im Laufe des Spiels
Dialogoptionen vermitteln große Einflussnahme auf Story

Auch interessant