The Callisto Protocol im Test: Ein FAST fehlerfreier Trip zum brutalsten Knast der Galaxie
Sci-Fi-Horror hat ein neues Gesicht: The Callisto Protocol. Welche Schnitzer das Spiel aber von der Schocker-Perfektion abhalten, lest ihr im Test.
Hamburg – In einem Jahr voller großer und großartiger Spielreleases hat kaum ein einzelnes Genre so viel Liebe bekommen, wie Horrorspiele. Zwischen der Rückkehr lang verlorener Franchises und genialen Indie-Geheimtipps hat nur noch ein richtiger AAA-Schocker zum Jahresabschluss gefehlt. Genau den haben wir mit The Callisto Protocol endlich erhalten. Ich habe mich willentlich ins Space-Gefängnis einsperren lassen und kann jetzt mit einiger Sicherheit behaupten: Trotz ein oder zwei Ausrutschern hat The Callisto Protocol sich einen Platz in meinem Herzen ergruselt.
Name des Spiels | The Callisto Protocol |
Release | 2. Dezember 2022 |
Publisher | Krafton |
Entwickler | Striking Distance Studios |
Plattform | PS5, Xbox Series X, PC |
Genre | Sci-Fi-Horror |
The Callisto Protocol im Test: Wenn Prison Break und Event Horizon aufeinandertreffen
Auf dem eigentlich als „toter Mond“ bekannten Jupitermond Kallisto ist im Jahr 2319 eine ganze Menge los. Das meiste davon kommt Hauptcharakter Jacob Lee (hervorragend gespielt von Josh Duhamel) aber so gar nicht zugute. Der Frachtpilot findet sich dort nach einem Absturz mit seinem Raumschiff als Insasse vom Black Iron Prison wieder, wo kurz nach seiner Ankunft die absolute Hölle losbricht. Schon in den ersten 20 Minuten von The Callisto Protocol wird klar, dieses Spiel nimmt trotz des Gefängnis-Settings keine Gefangenen.

Das gesamte Black Iron Prison ist dabei, von einem als Biophage bekannten Virus übernommen zu werden. Da kann von Glück reden, wer durch den Virus einfach stirbt, die meisten Anwesenden im Gefängnis mutieren viel eher zu grotesken Monstern. Die Marschrichtung für Jacob ist klar: bloß raus aus dem Laden und runter von Kallisto. Was sich aus diesem simplen Vorhaben entpuppt, ist eine etwa 12-stündige Achterbahn voller Gore und nervenaufreibender Spannung.
The Callisto Protocol im Test: Eine Meisterleistung in Grafik und Sound
Es führt eh kein Weg daran vorbei, also spreche ich den Elefanten im Raum direkt an: The Callisto Protocol sieht brutal gut aus und klingt noch besser. Was Striking Distance Studios hier rein technisch abliefern, ist eine Ohren- und Augenweide. Vom kleinsten Schweißtropfen auf Jacobs genial modellierter Visage bis zum großen, virusbefallenen Gefängnistrakt strotzt das Spiel vor visuellem Flair und Detailverliebtheit. In jedem Gang, jedem rostigen Rohr steckt echte Handarbeit und das sieht man in jeder Sekunde.

Visuelles allein macht aber noch keine Atmosphäre aus und guter Horror braucht starkes Sounddesign. In Bildern und Screenshots kommt sowas nicht rüber, aber nehmt einfach mein Wort dafür, dass The Callisto Protocol hier in vollem Umfang abliefert. Ob es die lauten Bombastmomente sind, oder ob man dem Rattern und Rauschen der Maschinerie einer Gefängniskolonie lauscht, hier sitzt alles. Wenn dann auch noch die Kämpfe gegen die Biophage kommen, dann spratzt und splattert es, als gäb es kein Morgen.
The Callisto Protocol im Test: Wenn sonst kein Ausweg bleibt, gibt es gnadenlos aufs Maul
Kämpfe sind das richtige Stichwort, denn damit verbringt man einen sehr, sehr großen Teil von The Callisto Protocol. Im Vorfeld war ich mir noch nicht sicher, wie sehr mir die neuen Mechaniken im Nahkampf zusagen würden. Jetzt verstehe ich aber, wie absolut überlebenswichtig es ist, mit den Monstern auf Tuchfühlung zu gehen. Munition ist dermaßen rar gesät, dass oft kein anderer Ausweg bleibt, als den Viechern so richtig mies die Fresse zu polieren – und darin ist Jacob erstaunlich gut.
Über den Autor:
Joosts größtes Jugendtrauma war die erste Begegnung mit Pyramid Head in Silent Hill 2. Mehr als zehn Jahre später ist aus dem Trauma eine ständige Suche nach dem Nervenkitzel geworden – wo auch immer es gruselt, ist der ostfriesische Dorfjunge nicht weit. In seinen bisherigen Jahren bei ingame hat er als Go-To-Guy fürs Horrorgenre erwiesen, was nicht nur daran liegt, dass alle anderen in der Redaktion richtige Schisshasen sind.
Der Hauptcharakter ist durchaus wehrhaft und kann aus nächster Nähe ordentlich gegen die Biophage austeilen. Ausweichen und Blocken funktionieren durch einfache Richtungsänderungen am linken Analogstick und brauchen kein Timing, um vernünftig zu funktionieren, auch Ausdauer ist kein Thema. So müsst ihr nur abwägen, wann sich bei den Gegnern ein Zeitfenster auftut, um selbst ein paar mächtige Schläge auf eure Gegner niedergehen zu lassen.
Das will aber gelernt sein und Fehler können schnell den Tod bedeuten. So wendig Jacob auch ist, die Monster im Black Iron Prison können mindestens genauso hart austeilen wie er. The Callisto Protocol ist damit kein sonderlich einfaches Spiel, aber findet eine enorm gute Balance aus dynamischem, actionreichen Kampfsystem und ständiger Gefahr. Lasst euch aber gesagt sein: Die Brutalität von The Callisto Protocol ist wirklich hart. Wer mit viel Blut und wirklich ekelhaften Verstümmelungen von (ehemals) menschlichen Körpern Probleme hat, wird hier nicht glücklich werden.

The Callisto Protocol im Test: Hervorragendes Pacing, aber zwei unnötige Fehltritte
Wenn ihr mal nicht gerade mit roher Gewalt Körperteile entfernt, dann warten etliche abwechslungsreiche Umgebungen darauf, von euch erforscht zu werden. Ich war während meines Playthroughs oft erstaunt, wie viel Striking Distance Studios dann doch aus der „Gefängnis im Weltall“-Prämisse herausholen konnte. Kaum ein Setting bleibt länger als nötig, oft wechseln auch die Gameplaymechaniken mit neuen Arealen durch. Das Pacing, mit dem The Callisto Protocol euch von Kapitel zu Kapitel scheucht, ist nahezu perfekt.
Hier tut sich aber früher oder später ein grober Ausrutscher von The Callisto Protocol auf. Die Gegnervariation durch das Spiel hinweg kann sich sehen lassen und sorgt eigentlich für durchweg spannende Kämpfe. Es gibt aber einen einzelnen Gegnertyp, der so ätzend ist, so unfair und übermächtig, dass er den gesamten Spielfluss zum Stillstand bringen kann, wann immer er auftaucht. Dieser Gegner tötet euch zuverlässig mit nur einem Schlag und kann gerne mal eure sämtlichen Munitionsvorräte wie ein Schwamm aufsaugen. Ach, und ihr müsst ihn in der Regel töten, um weiterzukommen.

Dieser Gegner ist auch nicht das einzige Ärgernis an The Callisto Protocol, auch wenn er am meisten als Negativpunkt hervorsticht. Das Spiel hat ein paar kleine Schönheitsflecken, die stellenweise ein wenig an den Nerven zerren können, wenn sie im falschen Moment auftreten. Was mir zum Beispiel besonders in hektischen Situationen gefehlt hat, war eine Möglichkeit für eine sofortige 180°-Drehung, wenn denn mal zu viele Gegner auf einmal auf mich eindreschen wollten.
Auch das Checkpointsystem ist zum Teil ein bisschen hakelig und speichert zum Beispiel nicht, wenn ich gerade einen Shop verlassen habe. Wenn ich dann vor dem nächsten Checkpoint sterbe und eine der doch eher begrenzten Todesanimationen hinter mir habe, muss ich einfach sämtliche Einkäufe wiederholen. Das sind alles nur kleine Ärgernisse, bei einem Spiel von ansonsten dermaßen hoher Qualität stechen sie aber ein wenig hervor. Kleinere Bugs gibt es auch, aber weder so stark noch so häufig, dass sie den Spielfluss in irgendeiner Weise weiter einschränken würden.
The Callisto Protocol im Test: Brutaler Nervenkitzel mit hervorragend inszenierter Story
Dabei sollte man nicht aus dem Blick verlieren, dass The Callisto Protocol eigentlich ein Spiel von dermaßen hoher Qualität ist. Es ist nicht gruselig in dem Sinne, dass ich nachts wach liege und Angst habe, ohne Licht einzuschlafen. Aber wenn ich mich durch die zerfallenden Gefängnistrakte metzel und jeder ruhige Spannungsaufbau in einem fetten Setpiece entlädt, liefert The Callisto Protocol herrlich spannenden, kurzweiligen Nervenkitzel.

Dazu erzählt das Spiel in seinen hervorragend inszenierten Zwischensequenzen eine enorm spannende Story, die für Fans anderer Sci-Fi-Horrorspiele nicht gerade originell ist, aber mit größeren und kleineren Mysterien aufwartet, die beinahe immer auf ein zufriedenstellendes Ganzes hinzuarbeiten. Für manche mögen die 12 bis 14 Stunden Spielzeit „kurz“ erscheinen, aber selten ist auch nur eine Minute von The Callisto Protocol mit unnötigem Füllwerk verschwendet.
The Callisto Protocol im Test: Unser Fazit zum brutalen Höllenritt im Weltall-Gefängnis
The Callisto Protocol ist so kompromisslos wie kaum ein anderes Spiel im Jahr 2022. Striking Distance Studios scheißt konsequent auf gängige AAA-Trends und feuert in 12 bis 14 Stunden Spielzeit einen fetten Adrenalinrausch von einem Horrorspiel ab. Noch nie hat nervenzerreißende Panik in einem Spiel so gut ausgesehen und geklungen und das Experiment mit den Nahkampfmechaniken hat sich voll ausgezahlt. Wenn ein Horrorspiel mich ständig heiß auf den nächsten Kampf macht und ich trotzdem immer Schiss vorm Sterben habe, macht es etwas sehr richtig.
Nur ein paar wenige Schnitzer bremsen den ansonsten hervorragenden Spielfluss aus, dafür leistet The Callisto Protocol sich kaum irgendwelche Längen oder langweiligen Momente. Noch dazu treiben die starken Performances und die filmreifen Cutscenes das Geschehen immer weiter voran. Es erzählt seine Geschichte ohne irgendwelche Schnörkel und endet am genau richtigen Moment, ohne dass ihm die Puste ausgeht. Für so viel Selbstbewusstsein muss man Striking Distance Studios höchsten Respekt zollen.
Pro | Kontra |
---|---|
Glaubhafte, stark gespielte Charaktere | Spielfluss leidet unter einem einzelnen ätzenden Gegnertyp |
Grafik und Sounddesign sind absolut Top-Tier | Kleinere Ärgernisse bei Checkpoints und Steuerung |
Dynamisches und extrem brutales Kampfsystem | Seltene, aber vorhandene Bugs |
Abwechslungsreiche, detaillierte Umgebungen | |
Nervenaufreibende Spannung am laufenden Band | |
Starker Storyaufbau mit vielen großen und kleinen Twists |